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Die Musen des Herodotos von Kalikarnassos

Übersetzt von Dr. J. Chr. F. Bähr


Drittes Buch Thalia



Inhaltsübersicht des dritten Buches. — Thalia. —

Das dritte Buch knüpft in der geschichtlichen Erzählung unmittelbar an den Anfang des zweiten Buches an, in dessen erstem Kapitel, nach dem am Schlusse des ersten Buches gemeldeten Tode des Cyrus, der Regierungsantritt des Kambyses und der von demselben sofort beabsichtigte und unternommene Zug gegen Ägypten erwähnt war und dadurch Veranlassung gegeben war zu einer Beschreibung des merkwürdigen Landes Ägypten, welche das ganze zweite Buch füllt und in ihrem geschichtlichen Teile bis zu demjenigen Herrscher Ägyptens (Amasis) geführt ist, in dessen letzte Regierungsjahre der von Kambyses unternommene Zug gegen Ägypten fällt.

So beginnt das dritte Buch mit Angabe der äußeren Veranlassung zu diesem Kriegszuge: der Bewerbung des Kambyses um die Tochter des Amasis, welcher statt derselben die Tochter des Apries schickt und so den persischen Herrscher täuscht{(1—3).} Flucht eines bei Amasis dienenden Griechen (Phanes) zu Kambyses, der von ihm Aufschluß erhält überden Landweg, auf welchem Ägypten allein anzugreifen ist{(4.5);} Versehung mit Wasser auf diesem wasserlosen Wege durch die Wüste mittelst der Fässer, in welchen Wein nach Ägypten eingeführt wird{(6)} ; Abschluß eines Vertrages mit dem Fürsten der Araber, durch deren Wüste der Weg geht{(7)} ; religiöse Gebräuche dieser Araber{(8)} , welche den Kambyses mit dem nötigen Wasser auf seinem Zuge durch die Wüste versehen{(9).}

Tod des Amasis, dessen Sohn Psammenit bei Pelusium von Kambyses in einer Schlacht besiegt wird{(10.11)} ; Vergleichung der Schädel der in dieser Schlacht gefallenen Ägypter und Perser{(12)} . Nach der Eroberung von Memphis wird von ganz Ägypten sowie der angrenzenden Reiche von Libyen und Kyrene, welche freiwillig sich ihm unterwerfen{(13)} . Freundliche Behandlung des gefangenen Psammenit: als er aber auf Umtrieben ertappt wurde, muß er durch Stierblut sterben{(14.15).} Wut des Kambyses gegen die Mumie des Amasis{(16)} ; weitere Pläne des Kambyses gegen die Karthager, Ammonier und Äthiopier{(17)} ; der bei den Äthiopiern befindliche Tisch der Sonne{(18)} . Die Phönikier werden von dem Zuge gegen Karthago (der deshalb wohl unterbleibt) aus Verwandtschaftsrücksichten dispensiert{(19)} . Jchthyophagen, als Späher von Kambyses mit Geschenken zu den Äthiopiern gesendet; ihr Verkehr mit dem König derselben{(20—23)} ; Totenbestattung der Äthiopier{(24)} ; verunglückter Zug des Kambyses gegen dieselben{(25)} und ein noch unglücklicherer Zug einer persischen Heeresabteilung gegen die Ammonier, welche auf dem Wege durch die Wüste infolge eines Samums zu Grunde geht{(26)} .

Rückkehr des Kambyses nach Memphis, seine Wut gegen den Apis und die ägyptischen Priester{(27—29)} ; Ermordung seines Bruders Smerdis durch Prexaspes{(30)} , u. seiner eigenen Schwester und Frau{(31.} 32). Gutachten der persischen Richter über die Geschwisterehe; die Krankheit des Kambyses (Epilepsie:{33)} ; Tod des Sohnes des Prexaspes durch einen Pfeil des Kambyses{(34.35)} , der auch den Krösus zu töten beabsichtigt, dann aber die Diener, welche den Krösus gerettet, hinrichten läßt (36); Verspottung des den Ägyptern heiligen Hephästos (Phthah) und der Kabiren{(37.38).}

Episode über Samos und Poly krater (s. die Note zu III, 30 Anfang): dessen Verkehr mit Amasis, der Brief des letztern an Polykrates und Ring{(39—43)}{;} Krieg des Polykrates mit Lakedämon, herbeigeführt durch die von Polykrates nach Ägypten zu Kambyses abgesendeten, aber nach Lakedämon geflohenen und dort aufgenommenen Samier{(44—48)} ; auch die Korinther nehmen an diesem Zuge gegen Samos Anteil aus Haß gegen Samos, welcher die von Periander an Alyattes zur Kastrierung geschickten corcyräischen Knaben befreit hatte{(49)} ; die Familienverhältnisse des Periander, namentlich zu seinem zuletzt von den Corcyräer getöteten Sohne Lykophron{(50—53)} . Vergeblicher Zug der Lakedämonier gegen Samos{(54—56)} . Die vertriebenen Samier ziehen nach Siphnus und erpressen dort hundert Talente{(57.58),} kaufen Hydrea und siedeln in Kydonia auf Kreta an, von wo sie aber durch die Agineten wieder vertrieben werden{(59)} ; unterirdische Wasserleitung, Hafendamm und Tempel der Hera zu Samos{(60)} .

Rückkehr zu der geschichtlichen Erzählung; Erhebung der beiden Magier, des falschen Smerdis und seines Bruders, gegen Kambyses{(61—63)} ; Kambyses, der seine frühere Täuschung erkannt hat, verwundet sich und stirbt; seine letzte Ansprache an die Perser{(64.65).} Täuschung der Perser{(66)} . Entdeckung des falschen Smerdis, der unter dem Namen des Bruders des Kambyses sich auf den Thron gesetzt, durch Otanes{(67-69)} ; Verschwörung der sieben persischen Stammhäupter{(70)} , Entschluß derselben, auf den Rat des Darius, sofort zur That zu schreiten{(71-73)} . Gegenbemühungen der Magier, zunächst durch Prexaspes dessen Ende{(74.75)} . Sturz des Magiers durch die Verschworenen{(76—79)} . Beratungen derselben über die dem persischen Reiche zu gebende Regierungsform und Entscheidung für die Monarchie{(80—83)} . Wahl des Darius zum König durch das Wiehern seines Rosses{(84—87)} ; seine Heiraten und sein Denkmal{(88)} . Einteilung des persischen Reiches in zwanzig Provinzen, zum Behuf einer geordneten Besteuerung{(89—94)} , und Gesamterträgnis derselben{(95.96)} . Die übrigen, nur Geschenke statt der Steuern) bringenden Völker, Äthiopier, Kolcher und Araber{97)} . Indiens Goldreichtum, Völkerschaften und deren Sitten{(98—101)} . Gewinnung des Goldsandes der Wüste{(102—105)} , die Tiere Indiens und die Baumwolle{(106)} ; Arabiens Lage und Produkte, verbunden mit Betrachtungen über die große Fruchtbarkeit der dem Menschen nützlichen, und die geringe Fruchtbarkeit der wilden und schädlichen Tiere{(107} bis 113); Äthiopiens Lage und Produkte{(114)} ; der Norden Europas, Bernstein, Zinn und Gold{(115.116).} Ertrag eines großen, zur Bewässerung einer Ebene angelegten Werkes{(117)} . Die That des Intaphernes und die Hinrichtung desselben und seiner Anverwandten mit Ausnahme des Bruders seiner Frau und eines seiner Söhne, auf Fürbitte der Frau{(118.119).}

Polykrates, durch Orötas, den persischen Statthalter zu Sardes, dahin verlockt, findet dort ein schmähliches Ende{(120—125)} ; aber auch Orötas wird zur Vergeltung auf Befehl des Darius getötet{(126—128).} Darius. am Fuß erkrankt, wird durch einen griechischen Arzt Demokedes, der im Gefolge des Polykrates sich befand, geheilt{(129.130)} ; dessen frühere Schicksale{(131)} und Einfluß bei Darius{(132)} ; seine Sendung nach Griechenland und sein Entkommen in die Heimat Kroton{(133—137)} ; die mit ihm gesendeten und in Italien festgehaltenen Perser werden durch die Bemühungen des Gillus wieder frei und kehren zurück{(138)} .

Kriegszug gegen Samos zur Wiedereinsetzung des vertriebenen Syloson, des Bruders von Polykrates, Eroberung von Samos und Flucht des Mäaudrius nach Sparta{(139—149)} .

Empörung der Babylonier und Vorbereitungen derselben{(150);} Belagerung von Babylon durch Darius{(151.} 152); Einnahme der Stadt durch die List des Zopyrus{(153—158);} Bestrafung der Babylonier und Schleifung der Mauern der Stadt{(159)} ; Anerkennung der That des Zopyrus durch Darius{(160)} .


Drittes Buch. Thalia.



1.

Dieser Amasis war es, gegen welchen Kambyses, des Cyrus Sohn, zu Felde zog[1] mit einem Heere, in welchem nicht nur die anderen Völker befanden, über die er gebot, sondern auch von Hellenen Jonier und Äolier[2] ; er that dies aus folgender Ursache. Kambyses hatte nach Ägypten einen Herold gesendet und um die Tochter des Amasis angehalten; es geschah dieser Antrag auf den Rat eines Ägypters, welcher einen Groll wider Amasis hatte und dies also veranstaltete, weil jener ihn unter allen Ärzten in Ägypten von Weib und Kindern losgerissen und nach Persien ausgeliefert hatte, damals, als Cyrus zu Amasis gesendet und ihn um einen Augenarzt gebeten, welcher unter allen in Ägypten der beste wäre[3] . Um dieser Unbill willen drang nun der Ägypter mit seinem Rat in den Kambyses und forderte ihn auf, den Amasis um seine Tochter zu bitten, damit dieser, wenn er sie gäbe, ärgere, oder, im Fall er sie nicht gäbe, sich mit dem Kambyses verfeinde. Amasis aber, der über die Macht der Perser besorgt und in Furcht war, war weder in der Lage, ihm die Tochter zu geben, noch sie zu versagen: denn er wußte wohl, daß Kambyses nicht als Gemahlin, sondern als Kebsweib halten würde. Er überlegte sich nun die Sache und that folgendes. Von A pries, dem früheren Könige, war noch eine Tochter da, wohlgestaltet und schön, die einzige, welche von der Familie übrig geblieben war, mit Namen Ritetis. Diese Jungfrau nun ließ Amasis mit prachtvoller Kleidung und Gold ausstatten und schickte sie nach Persien, wie wenn es seine Tochter wäre. Und nach einiger Zeit, als Kambyses sie freundlich empfing und mit dem Namen des Vaters benannte, sprach die Jungfrau zu ihm: "D König, du merkst nicht, daß du von Amasis getäuscht worden bist, welcher mich prachtvoll geschmückt hierher entsendete und mich für seine Tochter ausgab, während ich in Wahrheit des Apries Tochter bin, welchen jener ermordete, infolge eines Aufstandes, den er mit den Ägyptern gegen diesen, seinen Gebieter, gemacht hatte." Dieses Wort nun und der damit eingetretene Grund führte den Kambyses, des Cyrus Sohn, welcher in großen Zorn geraten war, gegen Ägypten. Also erzählen die Perser.[1]


***
2.

Die Ägypter dagegen wollen den Kambyses zu einem der Ihrigen machen, indem sie vorgeben, er stamme von ebendieser Tochter des Apries: Cyrus nämlich sei es gewesen, welcher zu Amasis geschickt um der Tochter willen, aber nicht Kambyses.[2] Mit dieser Behauptung haben sie aber Unrecht. Und es kann ihnen in der That auch nicht unbekannt geblieben sein (denn die Ägypter verstehen sich auf die persischen Einrichtungen so gut, wie irgend jemand sonst), vorerst, daß nach persischer Sitte kein Bastard auf den Thron gelangen kann, so lange noch ein echter[1] Sohn vorhanden ist, dann aber auch, daß Kambyses der Sohn der Kassandane, der Tochter des Pharnaspes, aus dem Stamme der Achämeniden, war und nicht von der Ägypterin abstammte. Aber sie verdrehen die Geschichte absichtlich, weil sie darauf ausgehen, mit dem Hause des Cyrus verwandt zu sein. Hiermit also verhält es so, wie gesagt.



***
3.

Es wird aber auch noch folgende Geschichte erzählt, die mir jedoch nicht glaubwürdig erscheint. Eine der persischen Frauen soll einst zu den Weibern des Cyrus gekommen sein, und als sie bei der Kassandane deren schöne und wohlgestaltete Kinder stehen sah, erging sie sich in vielem Lobe und war voller Bewunderung; Kassandane aber, welche des Cyrus Gemahlin war, erwiderte ihr: "Und doch erweist mir Cyrus, obwohl ich die Mutter solcher Kinder bin, gar keine Ehre, dagegen die, welche er aus Ägypten sich hat kommen lassen, hält er in Ehren." Dies soll sie aus Arger über die Nitetis gesagt, aber der ältere ihrer Söhne, Kambyses, darauf erwidert haben: "Darum, Mutter, will ich denn auch, wenn ich Mann geworden bin, in Ägypten das Oberste zu unterst kehren und das Unterste zu oberst." Also habe der kaum zehn Jahre alte Knabe gesprochen, und die Frauen hätten sich darüber verwundert; er aber hätte die Sache im Sinne behalten und demgemäß dann, als er Mann geworden war und die Königswürde erlangt hatte, den Kriegszug gegen Ägypten unternommen.




4.

Es ereignete sich aber auch noch etwas anderes in bezug auf diesen Kriegszug. Unter den Söldnern[1] des Amasis war ein Mann aus Halikarnassos seiner Geburt nach, mit Namen Phanes, tüchtig an Verstand, wie tapfer im Kriege; dieser Phanes, der sich ebenfalls über Amasis irgendwie zu beschweren hatte, entwich zu Schiffe aus Ägypten, in der Absicht, zu einer Unterredung mit Kambyses zu gelangen. Weil er aber ein Mann von nicht geringem Ansehen unter den Söldnern war und die ägyptischen Verhältnisse aufs genaueste kannte, so ließ ihn Amasis verfolgen und wendete allen Eifer an, ihn zu fangen. Er ließ ihn aber in der Weise verfolgen, daß er den getreuesten seiner Eunuchen auf einer Triere ihm nachschickte; dieser bemächtigte sich auch seiner in Lykien, brachte ihn aber dann nicht nach Ägypten zurück: denn Phanes hatte ihn durch List getäuscht, indem er die Wächter betrunken machte und nach Persien entkam. Hier traf er den Kambyses, der eben im Begriff stand, gegen Ägypten zu Felde zu ziehen, und in Verlegenheit war, wie er das Heer durch die wasserlose Wüste hindurch führen solle; er setzte ihn in Kenntniß über die ganze Lage des Amasis und gab ihm auch die Art des Zuges an, wobei er ihm riet, zu dem König der Araber zu schicken und diesen zu bitten, ihm einen sicheren Durchzug gewähren.


***
5.

Hier nämlich allein ist der Eingang nach Ägypten offen.[2] Denn von Phönikien bis zu der Stadt Kadytis gehört das Land den Syrern, welche die Palästiner[3] genannt werden; von Kadytis[4] an, welches eine Stadt ist, wie mich dünkt, nicht viel geringer als Sardes, gehören die Handelsplätze am Meere bis zur Stadt Jenysus[1] dem (König der) Araber, von Jenysus an ist wieder Land der Syrer bis zum Serbonischen See[2] , längs welchem das Kasische Gebirge bis ans Meer sich hinzieht; von dem Serbonischen See, in welchem der Sage nach Typhon verborgen liegt[3] fängt nun Ägypten an. Was dann zwischen der Stadt Jenysus und zwischen dem Kasischen Gebirge und dem Serbonischen See liegt, und es ist dies keine geringe Strecke, sondern ein Weg von etwa drei Tagereisen, ist ganz und gar wasserlos.




6.

Bei dieser Gelegenheit will ich etwas anführen, was wenige von denen, die zur See nach Ägypten fahren, bemerkt haben. Es wird nämlich nach Ägypten aus ganz Hellas, wie auch aus Phönikien, zweimal in jedem Jahre irdenes Geschirr[4] , das mit Wein gefüllt ist, eingeführt, und doch bekommt man daselbst, so zu sagen, auch nicht ein einziges Geschirr, das dort eingelegt ist, zu sehen. Wozu denn aber, könnte man Sagen, wird dasselbe verwendet ? Auch dieses will ich angeben. Jeder Ortsvorsteher nämlich muß aus seiner Stadt alles irdene Geschirr sammeln und nach Memphis schicken; die zu Memphis füllen dasselbe mit Wasser und senden es dann in diese wasserlosen Strecken Syriens. Also wird das Geschirr, das nach Ägypten geht und in Ägypten ausgeleert wird, wieder nach Syrien zu dem alten geschafft.



7.

Auf diese Weise nun haben die Perser diesen Eingang nach Ägypten eingerichtet, indem sie, sowie sie Ägypten eingenommen hatten, auf die bemerkte Art [diese wasserlose Strecker mit Wasser versahen. Damals aber war noch kein Wasser bereit, weshalb Kambyses auf den Rat des Halikarnassischen Fremdlings Boten zu dem König der Araber sendete und auf seine Bitten sicheren Durchzug erlangte, nachdem beide gegenseitig sich Treue gelobt hatten.



8.

Es halten aber die Araber[1] die Bundestreue so heilig, wie nur irgend jemand auf der Welt; den Bund selbst schließen sie auf folgende Weise ab. Wenn zwei mit einander einen Bund schließen wollen, so stellt sich ein anderer zwischen beide in die Mitte und macht mit einem scharfen Steine einen Einschnitt in die Mitte der Hand neben dem Daumen der beiden, welche den Bund mit einander eingehen; dann nimmt er von dem Mantel eines jeden der beiden einen Flocken und bestreicht mit dem Blut sieben vor ihnen liegende Steine[2] : während er dies thut, ruft er den Dionysus und die Urania an.[3] Und wenn er dies vollbracht hat, so stellt derjenige, welcher den Bund abgeschlossen hat, seine Freunde als Bürgen dem Fremdling oder auch dem Mitbürger vor, wenn er mit einem solchen den Bund eingegangen hat; die Freunde glauben dann ebenfalls von ihrer Seite den Bund heilig halten zu müssen. Den Dionysus allein halten für einen Gott und die Urania[4] ; auch behaupten die Haare des Hauptes eben so zu scheren, wie Dionysus selbst geschoren sei: sie scheren sich nämlich im Kreise, indem sie rund herum um die Schläfe die Haare wegnehmen.[1] Den Dionysus nennen Orotalt, die Urania Alilat.



9.

Als nun der König der Araber den Bund mit den Boten, die von Kambyses gekommen waren, abgeschlossen hatte, traf er folgende Einrichtung: er füllte Kamelschläuche mit Wasser und belud damit alle seine lebenden Kamele; nachdem er dies gethan, zog er dann in das wasserlose Land und erwartete hier das Heer des Kambyses. Dies ist die glaubwürdigere Erzählung, ich muß jedoch auch die minder glaubwürdige, weil sie nun einmal erzählt wird, angeben. In Arabien ist ein großer Fluß, mit Namen Korys[2] , welcher in das sogenannte Rote Meer ergießt. Von diesem Fluß aus sollnun der König der Araber mittelst zusammengenähter Rindshäute und anderer Felle einen Kanal, welcher der Länge nach bis in das wasserlose Land reichte, angelegt und durch denselben das Wasser dahin geleitet haben; in dem wasserlosen Lande ließ er dann große Behälter graben, welche das Wasser aufnehmen- und bewahren sollten Es ist aber eine Strecke Weges von zwölf Tagereisen von dem Flusse an bis zu dieser wasserlosen Gegend. Durch drei solcher Kanäle soll er das Wasser nach drei verschiedenen Orten geleitet haben.



10.

Bei der Mündung des Nil, welche die Pelusische[3] heißt, lagerte Psammenit, des Amasis Sohn, den Kambyses erwartend. Denn den Amasis traf Kambyses, als er gegen Ägypten zog, nicht mehr am Leben, sondern Amasis war gestorben nach einer Regierung von vierundvierzig Jahren[1] , innerhalb welcher ihn kein besonderes Unglück betroffen hatte. Nach seinem Tode ward er einbalsamiert und bei dem Tempel in dem Grabe beigesetzt, welches er selbst hatte erbauen lassen. Als aber Psammenit, der Sohn des Amasis, über Ägypten herrschte, trug in Ägypten ein in der That sehr großes Wunder zu: es regnete nämlich in dem ägyptischen Thebä, was früher nie der Fall gewesen war und auch Später bis auf meine Zeit nie geschah[2] , wie die Thebaner selbst versichern; denn in den oberen Teilen Ägyptens regnet es überhaupt gar nicht. Aber auch damals fiel der Regen zu Thebä nur in kleinen Tropfen.


***
11.

Als aber die Perser das wasserlose Land durchzogen und in der Nähe der Ägypter sich gelagert hatten, in der Absicht, ihnen eine Schlacht zu liefern, da ersannen die Söldner des ägyptischen Königs, welche Hellenen und Karer waren[3] , die sich über Phanes ärgerten, daß er ein fremdes Heer gegen Ägypten geführt, folgende That gegen denselben. Sie brachten die Söhne des Phanes, welche dieser in Ägypten zurückgelassen hatte, in das Lager, und zwar unter die Augen des Vaters, und stellten mitten zwischen die beiderseitigen Heerlager einen Mischkrug; darauf führten sie einen der Söhne nach dem andern herbei und schlachteten sie über dem Mischkrug[4] ab. Und nachdem sie dies bei allen den Söhnen der Reihe nach gethan hatten, gossen sie Wein und Wasser in denselbigen Krug; es tranken dann von dem Blute alle die Söldner und traten sofort in den Kampf. Und es war eine gewaltige Schlacht, in welcher, nachdem von beiden Heeren sehr viele gefallen waren, die Ägypter in die Flucht geschlagen wurden.




12.

Ein großes Wunder aber sah ich daselbst, nachdem ich von den Eingebornen es gehört hatte. Es sind nämlich die Gebeine der von beiden Seiten in der Schlacht Gefallenen getrennt von einander aufgeschüttet; denn die Gebeine der Perser liegen besonders, wie sie von Anfang an abgesondert waren, und auf der andern Seite die Gebeine der Ägypter; bei den Gebeinen der Perser nun sind die Schädel so schwach, daß man, wenn man nur mit einem Steinchen darauf werfen will, durchlöchert; die Schädel der Ägypter dagegen sind so stark, daß man sie kaum zertrümmern kann, wenn man mit einem (starken) Stein darauf schlägt. Als Ursache davon geben an und überzeugten mich auch leicht davon, daß die Ägypter gleich von der frühesten Kindheit an den Kopf scheren lassen, und wird dadurch der Knochen dick an der Sonne. Eben dasselbe ist auch der Grund, warum sie nicht kahlköpfig werden; denn man wird bei den Ägyptern die wenigsten Kahlköpfe unter allen Menschen erblicken. Bei diesen also ist dies der Grund, warum sie so harte Schädel haben; bei den Persern dagegen liegt der Grund, warum sie schwache Schädel haben, darin, daß sie von Anfang an ein Stubenleben führen 1 und einen Turban[2] tragen. Dies fand ich also in dieser Art, und ich sah auch noch anderes dem ähnliche zu Papremis[3] bei denen, welche zugleich mit Achämenes, dem Sohne des Darius, von dem Libyer I'narus[4] erschlagen worden waren.



13.

Es flohen aber die Ägypter, nachdem besiegt worden waren, aus der Schlacht ohne alle Ordnung; und als dann in Memphis eingeschlossen waren, schickte Kambyses stromaufwärts ein mytilenäisches Schiff mit einem Perser als Herold an Bord, welcher die Ägypter zu einem Vergleich auffordern sollte. Als diese jedoch das Schiff nach Memphis herankommen sahen, stürzten sie zahlreich aus der Feste, zerstörten das Schiff und hieben die Mannschaft in Stücke und brachten sie in die Feste[1] ; darauf wurden die Ägypter belagert und ergaben sich nach einiger Zeit. Die angrenzenden Libyer, aus Furcht vor dem, was in Ägypten geschah, ergaben ohne Schwertstreich; sie ließen einen Tribut auferlegen und schickten Geschenke. Ebenso thaten auch die Kyrenäer und Barkäer, welche in ähnlicher Furcht wie die Libyer waren, ein Gleiches. Kambyses nun nahm die von den Libyern kommenden Geschenke freundlich an, während er über die von den Kyrenäern kommenden unwillig war, wie mir scheint, weil zu gering waren. Es hatten nämlich die Kyrenäer fünfhundert Minen Silbers[2] geschickt: diese nahm er und verteilte sie mit eigener Hand unter sein Heer.



14.

Am zehnten Tage, nachdem Kambyses die Feste zu Memphis eingenommen hatte, ließ er den König der Ägypter, Psammenit, der nur sechs Monate geherrscht hatte, um ihm einen Schimpf anzuthun, in die Vorstadt bringen und dort zugleich mit andern Ägyptern niedersetzen, dann stellte er seine Seelenstärke auf die Probe, indem er folgendes that: er ließ seine Tochter Sklavenkleider anlegen und schickte dann heraus (aus der Stadt) mit einem Wasserkrug, um Wasser zu holen[3] ; zugleich mit ihr schickte er noch andere Jungfrauen, die er auserlesen hatte, Töchter der angesehensten Männer, in derselben Kleidung, wie die Tochter des Königs. Als nun die Jungfrauen unter Schreien und Weinen an ihren Vätern vorübergingen, so schrieen die übrigen Väter ebenfalls und weinten, wie sie ihre Kinder auf diese Weise gemißhandelt sahen; als aber Psammenit hinsah und dies gleichfalls bemerkte, bückte er sich zur Erde. Und als Wasserträgerinnen vorübergegangen waren, schickte Kambyses zu zweit den Sohn des Psammenit mit zweitausend andern Ägyptern, die in demselben Alter standen und einen Strick um den Hals hatten, sowie eine Halfter am Mund[1] ; sie wurden aber hinausgeführt, um zu büßen für die Mytilenäer, die in Memphis zugleich mit dem Schiffe zu Grunde gegangen waren[2] ; denn also hatten die königlichen Richter[3] bestimmt, daß für einen jeden Mytilenäer zehn von den ersten Ägyptern sterben sollten.[4] Wie nun Psammenit diese vorüberziehen sah und darunter auch seinen Sohn erblickte, der zum Tode geführt wurde, so machte er, während die andern Ägypter, die um ihn saßen, weinten und jammerten es ebenso, wie er es bei der Tochter gemacht hatte. Als dann auch diese vorübergezogen waren, so begab es sich, daß einer von seinen Tischgenossen, ein Mann in vorgerückten Jahren, der Hab und Gut verloren und nichts mehr hatte, als was ein Bettler besitzt, die Soldaten um eine Gabe ansprach, und an dem Psammenit, dem Sohne des Amasis, und an den Ägyptern, die in der Vorstadt saßen, vorüberging. Als ihn Psammenit erblickte, weinte er laut, rief seinen Freund bei seinem Namen und schlug sich an das Haupt. Nun waren aber daselbst Aufpasser, welche sein ganzes Verhalten bei jedem vorübergehenden Zuge dem Kambyses anzeigten. Kambyses wunderte sich deshalb über sein Benehmen und schickte einen Boten zu ihm, der ihn darüber befragen sollte, und also sprach: "Psammenit! Kambyses, dein Herr, läßt dich fragen, warum du bei dem Anblick deiner mißhandelten Tochter und deines zum Tode schreitenden Sohnes weder geschrieen noch geweint, dagegen den Bettler, der dich doch, wie der König von andern vernommen, gar nichts angeht, so geehrt hast. Also ließ der König fragen; Psammenit aber erwiderte folgendes: "O Sohn des Cyrus! Mein häusliches Unglück war zu groß, um darüber zu weinen, aber das Leid des Freundes war wohl der Thränen wert, da er um seine großen Reichtümer gekommen und an der Schwelle des Alters zum Bettler geworden ist." Als diese Worte von dem Boten hinterbracht wurden, fanden sie die Billigung des Kambyses; wie jedoch von den Ägyptern erzählt wird, so hätte Krösus, welcher dem Kambyses auf seinem Zuge gegen Ägypten gefolgt war, geweint, und eben so hätten auch die anwesenden Perser geweint, und so hätte den Kambyses selbst ein Mitleiden angewandelt und er sofort befohlen, den Sohn des Psammenit unter denen, die sterben sollten, am Leben zu erhalten, ihn aus der Vorstadt zu holen und zu ihm zu bringen.


***
15.

Aber die Leute, die den Sohn holen sollten, fanden ihn nicht mehr am Leben: er war zuerst zusammengehauen worden; dagegen den Psammenit selbst holten sie und brachten ihn zu Kambyses, bei dem er fürderhin lebte, ohne daß ihm irgend ein Leid widerfuhr; ja, er würde sogar, wenn er sich nicht in neue Händel eingelassen, Ägypten wieder erhalten und die Verwaltung desselben in seine Hände bekommen haben; denn die Perser pflegen die Söhne der Könige in Ehren zu halten und denselben, auch wenn die Väter von ihnen abgefallen, dennoch die Herrschaft wieder zu übergeben. Man kann aus vielen anderen Fällen abnehmen, daß es bei ihnen Sitte ist, also zu thun, insbesondere aber auch daraus, daß Thannyras, der Sohn des Libyers lnarus, die Herrschaft wieder erhielt, welche sein Vater besessen hatte, und eben so Pausiris, der Sohn des Amyrtäus[1] ; denn auch dieser erhielt die Herrschaft seines Vaters wieder zurück. Und doch hatte nie jemand den Persern mehr übel zugefügt, als Inarus und Amyrtäus. Psammenit aber, der nun auf böse Anschläge sann, empfing seinen Lohn: er ward nämlich ergriffen, als er die Ägypter zum Abfall zu bringen suchte, und wie er dessen von Kambyses überführt war, mußte er Stierblut trinken und starb sogleich.[1] Auf diese Weise also endigte dieser.




16.

Kambyses aber begab von Memphis nach der Stadt Sais, in der Absicht, das zuthun, was er denn auch wirklich that. Sowie er nämlich in die Königsburg des Ania sis eingetreten war, befahl er sofort den Leichnam des Amasis aus seiner Gruft[2] herauszuschaffen. Und als man seinen Befehl vollzogen hatte, ließ er den Leichnam geißeln, ihm die Haare ausraufen, dann ihn stechen und auf alle andere Weise mißhandeln[3] ; und als die Leute sich auch damit (vergebens) abgemüht, indem der Leichnam, weil er einbalsamiert war, widerstand und nicht auseinandergehen wollte, so gab Kambyses den Befehl ihn zu verbrennen, was ein ganz gottloser Befehl war. Denn die Perser halten das Feuer für einen Gott. Daher ist das Verbrennen der Leichname bei keinem der beiden Völker irgendwie im Gebrauch; bei den Persern, wie angegeben wird, aus dem Grunde, daß es für Unrecht erklären, einen menschlichen Leichnam einem Gotte zuzuweisen[4] : bei den Ägyptern aber wird das Feuer für ein lebendiges Tier angesehen[5] , welches alles, was es nur bekommt, verzehrt, dann aber, wenn es an der Nahrung gesättigt hat, zugleich mit dem, was es verzehrt hat, zu Grunde geht. Daher ist es auch bei ihnen keineswegs Gebrauch, den Leichnam den Tieren zu übergeben; balsamieren vielmehr deswegen den Leichnam ein, damit er nicht, wenn er daliegt, von den Würmern gefressen wird.[1] So befahl also Kambyses etwas zuthun, was der Sitte beider Völker zuwider war. Es behaupten zwar die Ägypter, es sei nicht Amasis gewesen, der dies erlitten, sondern irgend ein anderer Ägypter, welcher von demselben Alter, wie Amasis, war; diesen hätten die Perser mißhandelt, in der Meinung, den Amasis zu mißhandeln. Sie erzählen nämlich, Amasis habe durch einen Orakelspruch erfahren, was ihm nach seinem Tode begegnen solle; um nun das Bevorstehende abzuwenden, habe er eben den von den Persern gegeißelten Menschen, nachdem er gestorben, an der Thüre im Innern seines eigenen Grabes beerdigen lassen und seinem Sohne aufgetragen, ihn selbst im allerinnersten Winkel der Gruft beizusetzen. Mir will es nun vorkommen, als wenn die von Amasis erteilten Aufträge, soweit sie auf die Beerdigung und den Menschen sich beziehen, überhaupt gar nicht stattgefunden haben, sondern daß die Ägypter damit nur die Sache beschönigen wollen.



17.

Nach diesem ging Kambyses mit sich zu Rate über einen dreifachen Kriegszug, gegen die Karthager, gegen die Ammonier und gegen die langlebenden Äthiopien welche an dem südlichen Meere Libyens wohnen.[2] Bei weiterer Überlegung aber beschloß er, gegen die Karthager seine Flotte zu senden und gegen die Ammonier einen ausgewählten Teil seines Landheeres, zu den Äthiopiern wollte er zuerst Späher schicken, welche nach dem bei diesen Äthiopiern der Sage nach befindlichen Tisch der Sonne sehen sollten, ob es mit ihm wirklich sich so verhielte; zudem sollten sie auch alles andere ausspähen und zum Vorwande ihrem Könige Geschenke bringen.



18.

Mit dem Tisch der Sonne[1] nämlich verhält es sich, wie man erzählt, also. Bei der Vorstadt befindet sich eine Wiese, welche mit gekochtem Fleisch von allen vierfüßigen Tieren vollgelegt ist; auf diese bringen regelmäßig in der Nacht diejenigen Bürger, welche jedesmal im Amte sind, das Fleisch; bei Tage kommt dann jeder, der da will, herzu und genießt davon; die Eingebornen aber behaupten, das alles bringe jedesmal die Erde selbst hervor. Mit dem sogenannten Tisch der Sonne soll es sich also so verhalten.



19.

Nachdem Kambyses beschlossen hatte, die Späher zu entsenden, ließ er sofort aus der Stadt Elephantine von den Jchthyophagen[2] etliche holen, welche sich auf die äthiopische Sprache verstanden; während man diese herbeiholte, befahl er seiner Flotte gegen Karthago zu segeln. Aber die Phönikier[3] weigerten dessen, weil durch schwere Eide gebunden seien und gottlos handeln würden, wenn sie gegen ihre eigenen Söhne zu Felde zögen. Da nun die Phönikier sich weigerten, so erschienen die übrigen dem Kampfe nicht gewachsen, und auf diese Weise entgingen die Karthager der von seiten der Perser drohenden Knechtschaft. Denn Kambyses wollte den Phönikiern keine Gewalt anthun, weil sie sich freiwillig den Persern ergeben hatten[4] und seine ganze Seemacht von den Phönikiern abhing. Auch die Cyprier hatten freiwillig den Persern ergeben[1] und machten den Feldzug gegen Ägypten mit.



20.

Als aber die Jchthyophagen aus Elephantine zu Kambyses gekommen waren, schickte er zu den Äthiopiern und trug ihnen auf, was sie sagen sollten; auch nahmen sie Geschenke mit, ein purpurnes Gewand, eine goldene Halskette, Armbänder, ein alabasternes Gefäß mit Myrrhen und ein Faß Palmenwein.[2] Diese Äthiopier, zu welchen Kambyses schickte, sollen die größten und schönsten unter allen Menschen sein; auch sollen sie andere Gebräuche haben, welche von denen der übrigen Menschen gänzlich verschieden sind, darunter auch folgenden in bezug auf die königliche Würde: denjenigen unter ihren Mitbürgern, welchen sie für den größten erkennen und im Besitz einer dieser Größe entsprechenden Kraft, wählen sie zu ihrem König.


***
2 1.

Als nun die Jchthyophagen zu diesen Männern gekommen waren, so sprachen sie, indem sie dem König ihre Geschenke überreichten, folgendermaßen: "Kambyses, der König der Perser, hat uns in der Absicht, dein Freund und Gast zu werden, hierher geschickt und mit dir zu sprechen uns geboten; er übergibt dir diese Geschenke, die ihm auch selbst ganz besonders lieb und wert sind." Aber der Äthiopier, welcher merkte, daß sie als Späher gekommen Seien, sprach zu ihnen also: Weder hat euch der König der Perser gesendet, mir diese Gaben zu überbringen, weil er einen großen Wert darauf legt, mein Gastfreund zu werden, noch sagt ihr die Wahrheit; denn ihr seid gekommen, meine Herrschaft auszuspähen. Auch ist jener kein gerechter Mann; denn wenn er gerecht wäre, so würde es ihn nicht gelüstet haben nach einem andern Lande, als dem seinigen, noch würde er Menschen in Knechtschaft bringen wollen, von welchen ihm kein Unrecht widerfahren ist. Nun aber übergebt ihm diesen Bogen und sprecht dazu folgende Worte: Dei König der Äthiopier gibt dem König der Perser den Rat, wem einmal die Perser Bogen von dieser Größe ebenso leicht spannen, dann soll er mit überlegenen Heeresmacht gegen die langlebenden Äthiopier zu Felde ziehen, bis dahin aber den Göttern Dank wissen, welche es den Söhnen der Äthiopier nicht in den Sinn geben, sich noch ein anderes Land zu dem ihrigen hinzu zu erwerben."



***
22.

Nachdem er diese Worte gesprochen, spannte erden Bogen ab und übergab ihn den zu ihm gekommenen (Jchthyophagen); dann nahm er das Purpurgewand und fragte, was es sei und wie es verfertigt worden wäre. Als ihm darauf die Jchthyophagen die Wahrheit angaben, sowohl hinsichtlich des Purpurs wie der Färbung, erklärte er, die Menschen wären falsch und ebenso ihre Kleider. Juni andern frug er nach der goldenen Halskette und den Armbändern; und als ihm die Jchthyophagen deren Anordnung erklärten, brach er in ein Gelächter aus, und weil er meinte, es wären Fesseln, versicherte er sie, bei ihnen wären die Fesseln noch weit stärker als diese. Zum dritten frug er nach der Myrrhe; und als sie ihm über die Bereitung und über die Salbung gesprochen, wiederholte er dasselbe, was er über das Gewand gesagt hatte. Als er aber dann an den Wein kam und von seiner Bereitung hörte, freute er sich ungemein über den Trank und fragte sie weiter, was denn bei ihnen der König speise und welches die längste Lebenszeit für einen persischen Mann wäre. Sie erwiderten darauf, daß des Königs Speise das Brot sei, und erklärten ihm die Beschaffenheit des Weizens; ebenso gaben an, daß achtzig Jahre des Lebens das äußerste Ziel sei, das ein Mensch erreiche. Darauf sagte der König, er wundere sich gar nicht, daß sie, da sie Mist äßen, nur so wenige Jahre lebten, ja, sie würden nicht einmal so lange Zeit leben können, wenn sie sich nicht an dem Trank erholten, wobei er die Jchthyophagen auf den Wein verwies; denn darin allein stünden sie[1] den Persern nach.



***
23.

Als nun die Jchthyophagen ihrerseits den König befragten nach der Dauer des Lebens und der Lebensweise, so hörten sie, daß die meisten von ihnen[1] es bis auf hundert zwanzig Jahre brächten, einige auch noch darüber hinaus; ihre Speise sei gekochtes Fleisch, ihr Trank Milch. Wie aber die Späher über die Zahl der Jahre sich verwunderten, soll er sie an eine Quelle geführt haben, aus deren Bad sie ganz glänzend hervorgingen, wie wenn es eine Quelle von Öl wäre, und ging ein Duft von derselben aus, wie von Veilchen ; das Wasser dieser Ouelle aber, versicherten die Späher, wäre so schwach, daß nichts auf demselben schwimmen könne, weder Holz, noch etwas, was noch leichter ist als Holz, sondern alles dies sinke sofort in die Tiefe.[2] Wenn es nun mit diesem Wasser in Wahrheit so verhält, wie man angiebt, so möchten sie wohl deshalb, weil dasselbe zu allein gebrauchen, eines so langen Lebens sich erfreuen. Als sie dann von der Quelle sich entfernten, führte er sie in das Gefängnis der Männer, wo alle mit goldenen Ketten gefesselt waren. Es ist nämlich bei diesen Äthiopiern das Erz unter allen Metallen das seltenste und geschätzteste. Nachdem nun auch das Gefängnis besichtigt hatten, besahen sie auch den sogenannten Tisch der Sonne.[3]




24.

Nach diesem besahen sie zuletzt noch die Gräber derselben, welche aus Steinsalz[4] auf folgende Weise bereitet sein sollen. Wenn sie den Leichnam ausgetrocknet haben, sei es wie die Ägypter[5] oder auf irgend eine andere Weise, so überkleiden sie ihn gang mit Gips und bemalen ihn, wobei seine Gestalt so ähnlich als möglich zu machen suchen; hernach stellen ihn in eine hohle Säule, die von Steinsalz gemacht ist, welches in großer Menge bei ihnen gegraben wird und gut zu bearbeiten ist. Der Leichnam, der mitten in der Säule sich befindet, scheint durch dieselbe hindurch, ohne irgend einen unangenehmen Geruch oder sonst etwas Widerliches von sich zu geben, und alles läßt sich daran ebenso deutlich erkennen, wie andern Leichnam selbst. Ein Jahr lang nun behalten die nächsten Anverwandten die Säule in ihrem Hause, wo sie dem Toten die Erstlinge von allem darbringen, sowie Opfer herbeischaffen; alsdann aber tragen sie dieselben aus dem Hause fort und stellen sie um die Stadt herum auf.



25.

Nachdem die Späher dies alles besichtigt hatten, kehrten wieder zurück. Kambyses aber geriet, als sie ihm alles das, was sie wahrgenommen, berichtet hatten, sofort in einen solchen Zorn, daß er gegen die Äthiopier zu Felde zu ziehen beschloß, ohne irgend eine Vorkehrung für den Unterhalt getroffen, noch selbst bei sich überlegt zu haben, daß er bis an die äußersten Grenzen der Erde einen Feldzug unternehmen wolle. Allain rasend, wie er war, und nicht bei Sinnen, verschritt er, nachdem er von den Jchthyophagen alles vernommen, zu dem Feldzug, indem er den Hellenen, die bei ihm waren, ebendaselbst[1] zu verbleiben gebot, dagegen sein ganzes Landheer mit sich nahm. Als er aber auf seinem Zuge bei Theben angelangt war, sonderte er von seinem Heere etwa fünf Myriaden aus, welchen er den Auftrag gab, die Ammonier zu Sklaven zu machen und das Orakel des Zeus in Brand zu stecken; er selbst zog dann mit dem übrigen Teile des Heeres gegen die Äthiopier. Bevor aber das Heer den fünften Teil des Weges zurückgelegt hatte, waren ihm alle Lebensmittel, die sie bei sich hatten, ausgegangen; und nach den Lebensmitteln ging ihnen auch bald das Jugvieh aus, das verzehrten. Wenn nun Kambyses, als er dies wahrgenommen, eines besseren besonnen und sein Heer zurückgeführt hätte, so wäre er, auch nach dem Fehler, den er von Anfang an gemacht, doch noch ein kluger Mann gewesen; so aber nahm er gar keine Rücksicht darauf und zog immer weiter vorwärts. So lange die Soldaten aus dem Boden etwas nehmen konnten, fristeten sie ihr Leben mit Kräutern und Gras: als aber in den Sand gekommen waren, da verübten einige unter ihnen eine schreckliche That: von zehn Mann nämlich schieden sie einen der Ihrigen durch das Los aus und verzehrten ihn. Wie dies Kambyses erfuhr, so gab er aus Schreck über das Auffressen der Leute unter einander den Zug gegen die Äthiopier auf, kehrte um und kam nach Theben zurück, nachdem er einen großen Teil des Heeres eingebüßt hatte. Von Theben zog er dann herunter nach Memphis, wo er die Hellenen zur Heimfahrt entließ.



26.

Dies war der Ausgang des Zuges gegen die Äthiopier. Diejenigen von den Persern aber, welche zum Kriegszug gegen die Ammonier entsendet waren, brachen von Theben auf und zogen mit Führern vorwärts, gelangten auch offenbar bis zur Stadt Oasis[1] , welche Samier bewohnen, die von den Äschrionischen Stamme sein sollen; die Entfernung von Theben bis dahin beträgt sieben Tagereisen durch lauter Sand, und wird dieser Ort in der Sprache der Hellenen Insel der Seligen genannt.[2] Bis zu diesem Orte soll das Heer gekommen sein; von da an aber weiß niemand mehr etwas von ihm anzugeben, außer was die Ammonier erzählen und diejenigen, welche es von diesen gehört haben; denn es kamen die Perser weder zu den Ammoniern, noch kehrten sie wieder zurück. Es wird darüber folgendes von den Ammoniern selbst erzählt. Als die Perser von der Stadt Oass weiter durch den Sand gegen zogen und etwa in die Mitte des Weges zwischen ihnen und der Stadt Sass gekommen waren, überfiel sie ein gewaltiger und heftiger Südsturm, während das Frühmahl einnahmen, und wurden sie durch die Wirbel von Sand, die der Wind mit führte, ganz verschüttet, sodaß sie auf diese Weise mit einem Male verschwanden.[1] Also, erzählen die Ammonier, sei es mit diesem Heere gegangen.



27.-29

Als aber Kambyses nach Memphis zurückgekommen war, erschien den Ägyptern der Apis, welchen die Hellenen Epaphos nennen; und als derselbe erschienen war, legten die Ägypter alsbald ihre schönsten Kleider an und waren in Wonne. Wie nun Kambyses die Ägypter solches thun sah, hatte er sie sehr im Verdacht, daß sie diese Festlichkeiten begingen aus Freude über das Unglück, das ihn betroffen, und ließ die Vorsteher von Memphis zu sich entbieten. Als diese vor sein Angesicht gekommen waren, fragte er sie, warum die Ägypter früher während seines Aufenthaltes in Memphis nichts derart gethan, jetzt aber Feste veranstalteten, wo er erschienen sei nach dem Verluste eines großen Teils seines Heeres. Diese erklärten darauf, es sei ihnen ein Gott erschienen, wie er nach langem Zwischenraume zu erscheinen pflege; und wenn er erschienen, so feierten dann alle Ägypter ein Freudenfest. Als Kambyses dies hörte, behauptete er, belogen ihn und bestrafte als Lügner mit dem Tode.


***
28.

Nachdem er diese hatte hinrichten lassen, ließ er zum andern die Priester vor kommen; und da diese auf gleiche Weise sich aussprachen, erklärte er ihnen, er wolle bald sehen, ob ein mit den Händen lenksamer Gott zu den Ägyptern gekommen sei. Nach diesen Worten befahl erden Priestern, den Apis zu ihm zu führen; diese gingen sofort hin, ihn zu holen. Dieser Apis[1] , der Epaphos (der Hellenen), kommt als ein Kalb auf die Welt von einer Kuh, welche nicht mehr im stande ist, irgend eine andere Frucht in ihren Leib aufzunehmen; die Ägypter aber behaupten, ein Strahl komme vom Himmel herab auf diese Kuh und davon gebäre sie den Apis. Dieses Kalb, der sogenannte Apis, hat folgende Abzeichen: er ist ganz schwarz und hat nur auf der Stirne ein weißes Viereck, sowie auf dem Rücken das Bild eines Adlers, an seinem Schwanz hat er beiderlei Haare und an der Junge einen Käfer. Als nun die Priester den Apis herbeigebracht hatten, zog Kambyses in seiner Raserei den Dolch, um dem Apis damit in den Bauch zu stoßen, aber er traf ihn am Schenkel, und sprach dann lachend zu den Priestern: "O ihr armen Tröpfe! Sind Götter von der Art, daß Blut und Fleisch haben und das Eisen fühlens Ein solcher Gott ist wohl der Ägypter würdig; ihr aber sollt nicht ungestraft mich verspottet haben." Nach diesen Worten befahl er denen, welche dies zu thun haben, die Priester durchzupeitschen, jeden andern Ägypter aber, den über der Feier ergriffen, zu töten. Damit nun war das Fest der Ägypter aufgehoben, und die Priester wurden bestraft. Jener Apis aber, der an dem Schenkel gestochen war, siechte hin in dem Tempel, in dem er lag, und es begruben ihn nach seinem Tode an der Wunde die Priester heimlich, ohne daß Kambyses es wahrnahm.




30.

Kambyses verfiel, wie die Ägypter versichern, wegen dieser Frevelthat alsbald in Raserei, zumal da er auch vorher schon nicht ganz bei Sinnen gewesen war. Die erste Übelthat beging er an seinem Bruder Smerdis, welcher von demselben Vater und derselben Mutter war; diesen nämlich schickte er aus Ägypten nach Persien zurück, aus Neid, weil er allein von allen Persern den Bogen zwei Finger breit gespannt hatte, welchen die Jchthyophagen von dem Äthiopier gebracht hatten[1] , während keiner der übrigen Perser dies zu thun im stande gewesen war. Als nun Smerdis nach Persien abgegangen war, sah Kambyses im Schlaf folgendes Traumgesicht: er glaubte einen Boten zusehen, welcher aus Persien zu ihm mit der Nachricht käme, daß Smerdis auf dem königlichen Throne sitze und mit seinem Haupt den Himmel berühre. Darüber geriet er nun in Furcht um seiner selbst willen, es möchte sein Bruder ihn umbringen und dann herrschen; daher schickte er den prexaspes, welcher einer seiner getreuesten Perser war, nach Persien ab, um jenen zu ermorden. Dieser begab sich auch nach Susa und brachte den Smerdis[2] ums Leben, nach der einen Angabe auf einer Jagd, zu der er ihn hinausgelockt hatte, nach einer andern führte er ihn an das Rote Meer und ertränkte ihn daselbst.



31.-32

Das also war die erste Übelthat, welche, wie die Ägypter erzählen, Kambyses verübte; zum andern brachte er seine Schwester um, die ihm nach Ägypten gefolgt war, mit der er auch verheiratet war und die von beiden Seiten seine Schwester war. Er hatte sie aber auf folgende Weise geheiratet. Vorher nämlich war es nicht Sitte bei den Persern[1] , mit der Schwester sich zu verheiraten; wie nun Kambyses in eine seiner Schwestern verliebt war und sie dann heiraten wollte, jedoch etwas zu thun glaubte, was bisher nicht üblich war, so berief er die königlichen Richter zu sich und stellte an sie die Frage, ödes ein Gesetz gebe, welches dem, der seine Schwester heiraten wolle, dies gestatte. Die königlichen Richter[2] sind Männer, aus allen Persern erlesen und zwar auf Lebenszeit, oder doch so lange, bis irgend eine ungerechte That an ihnen erfunden worden ist; diese sprechen den Persern Recht, sie sind die Ausleger der väterlichen Satzungen, und alles wird an sie gebracht. Als nun Kambyses an sie die Frage stellte, gaben sie ihm eine Antwort, die ebenso gerecht war, als für sie sicherstellend: erklärten nämlich, sie fänden ein Gesetz, welches dem Bruder gestatte, die Schwester zu heiraten, aber wohl hätten sie ein anderes Gesetz gefunden, wonach es dem Herrscher der Perser freistehe, zu thun, was er wolle.[3] Auf diese Weise hoben sie das Gesetz nicht auf aus Furcht vor Kambyses, aber um nicht sich selbst durch Aufrechthaltung des Gesetzes zu Grunde zu richten, erfanden noch ein anderes Gesetz ;u Gunsten dessen, der eine Schwester heiraten wolle. So heiratete damals Kambyses die Schwester, in die er verliebt war[1] , nicht lange Zeit hernach aber nahm er noch eine andere Schwester zur Frau; von diesen beiden nun tötete er die jüngere, die ihm nach Ägypten gefolgt war.


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32.

Über ihren Tod findet sich, wie bei Smerdis, eine doppelte Angabe. Die Hellenen erzählen, Kambyses habe einen jungen Löwen und einen jungen Hund mit einander kämpfen lassen und seine Frau habe dem Kampfe zugesehen. Als nun der junge Hund unterlag, so hätte ein anderer junger Hund, der dessen Bruder war, sich von der Kette losgerissen und wäre ihm zum Beistand erschienen; da es ihrer nun zwei waren, wären die jungen Hunde so des jungen Löwen Meister geworden; während Kambyses an diesem Anblick seine Freude gehabt, habe seine Frau, die daneben saß, geweint. Als dies Kambyses bemerkte, fragte er sie, warum weine, worauf sie ihm erwiderte: wie sie gesehen, daß der eine Hund seinem Bruder zu Hilfe gekommen, habe sie müssen, weil sie an Smerdis gedacht und wohl erkannt, daß für diesen kein Rächer mehr da sei. Um dieses Wortes willen nun, behaupten die Hellenen, habe Kambyses sie umbringen lassen; die Ägypter dagegen erzählen, die Frau habe, als man bei Tische saß, einen Lattich genommen und dessen Blätter ausgerupft, dann aber ihren Mann gefragt, ob der ausgerupfte Lattich oder der volle schöner sei: und als dieser den vollen bezeichnete, habe sie ihm entgegnet: "Aber du hast es doch diesem Lattich nachgemacht, indem du das Haus des Cyrus ausgerupft hast." Da habe er im Zorn ihr einen Fußtritt gegeben und sei dann, da sie schwanger war, an einer Fehlgeburt gestorben.




33.

In dieser Weise wütete Kambyses gegen seine eigenen Anverwandten, sei es um des Apis willen, oder aus sonst einem andern Grunde, wie denn manches Unheil in solchen Fällen die Menschen zu treffen pflegt. Kambyses nämlich soll von seiner Geburt an eine schwere Krankheit gehabt haben, welche einige die heilige nennen[1] ; es ist daher auch in der That nicht auffallend, daß, wenn der Körper an einer schweren Krankheit leidet, auch der Geist nicht mehr gesund bleibt.



34.-35

Aber auch gegen die andern Perser wütete Kambyses in folgender Weise. Zu Prexaspes nämlich, den er am meisten ehrte, der ihm die Botschaften überbrachte[2] , dessen Sohn auch Mundschenk bei ihm war, was ebenfalls keine geringe Ehre ist[3] , zu diesem soll erfolgendes gesagt haben: "Prexaspes, für was für einen Mann halten mich wohl die Perser und was sprechen sie von mir?" Worauf dieser erwiderte: "O Gebieter, in allem andern lobt man dich sehr, nur dem Genuß des Weines[4] , behaupten sie, wärest du allzusehr ergeben." Also gab er an hinsichtlich der Perser; Kambyses aber, von Jom entbrannt, erwiderte ihm folgendes: "Jetzt also sagen die Perser, ich sei dem Weine ergeben und nicht recht bei Sinnen und bei Verstand; demnach waren ihre früheren Aussagen nicht wahr." Vorher nämlich hatte Kambyses die Perser, die mit ihm zu Rate saßen, und den Krösus gefragt, was für ein Mann er ihnen sein scheine, wenn man ihn mit seinem Vater Cyrus zusammenstelle, worauf erwiderten, er wäre noch vorzüglicher, als sein Vater; denn er behaupte nicht nur alles, was jener hatte, sondern habe auch noch Ägypten und das Meer[5] dazu gewonnen. Dieses sprachen die Perser; Krösus jedoch, welcher zugegen war und mit der Antwort sich nicht zufrieden gab, Sprach zu Kambyses folgendes: "Mir scheint es, du, o Sohn des Cyrus, bist deinem Vater nicht ähnlich, denn du hast ja noch keinen solchen Sohn, wie derjenige, den jener in dir hinterließ." Alg Kambyses dies hörte, freute er sich und lobte die Antwort des Krösus. An diese Worte also dachte er, als er im Zorn zu Prexaspes gesagt haben soll: "Du sollst jetzt selbst erfahren, ob die Perser die Wahrheit sagen, oder ob selber nicht bei Sinnen sind, wenn so etwas sagen. Denn wenn ich deinen Sohn, der in dem Vorhofe steht, mit meinem Pfeil mitten in das Herz treffe, so wird es offenbar sein, daß das, was die Perser sagen, unwahr ist; wenn ich ihn aber verfehle, so kannst du sagen, die Perser redeten die Wahrheit und ich sei nicht bei Verstande." Mit diesen Worten spannte er den Bogen und schoß nach dem Knaben[1] , und als der Knabe gefallen war, ließ er ihn aufschneiden und den Schuß untersuchen ; als man aber den Pfeil im Herzen stecken fand, da soll er zu dem Vater des Knaben lächelnd und voll Freude gesagt haben: "Prexaspes, es ist dir wohl klar geworden, daß ich nicht rasend bin und daß die Perser nicht bei Verstande sind; jetzt aber sage mir, hast du schon jemand unter allen Menschen gesehen, der so gut. das Ziel mit dem Bogen trifft?" Prexaspes, welcher sah, daß der Mann nicht bei Verstande war und der auch für sein eignes Leben fürchtete, gab ihm darauf die Antwort: "O Gebieter, ich glaube nicht, daß die Gottheit selbst[2] so gut schießen kann." Damals also verübte er (an Prexaspes) diese Unthat; ein andermal aber ließ er zwölf der vornehmsten Perser ohne irgend einen triftigen Grund ergreifen und lebendig, den Kopf nach unten, eingraben.[3]


***
35.

Bei einer solchen Handlungsweise glaubte Krösus, der Lydier, ihm Vorstellungen machen zu müssen in folgenden Worten: "O König! Überlaß dich doch nicht ganz deiner Jugend und deinem Zorne, sondern halte an dich und beherrsche dich: es ist gut, bedächtig zu sein, und weise ist die Fürsicht; du aber bringst Männer um, die deine eigenen Mitbürger sind, ergriffen von dir ohne irgend eine genügende Ursache; ja, du bringst sogar Kinder um. Wenn du es so fort machst, so sieh dich vor, daß die Perser nicht von dir abfallen. Dein Vater Cyrus trug mir angelegentlichst auf, dich zu ermahnen und dir das zu raten, was ich für gut erachte." Diesen Rat erteilte ihm Krösus in wohlwollender Gesinnung; allein jener erwiderte folgendes: "Du unterstehst dich noch, mir einen Rat zu geben, du, der du dein eigenes Vaterland so schön verwaltet und meinem Vater einen so guten Rat gegeben hast, als du ihn auffordertest, den Fluß Araxes zu überschreiten und gegen die Massageten zu ziehen, als diese über denselben in unser Land einfallen wollten; du hast dich selbst zu Grunde gerichtet, indem du deinem eigenen Vaterlande schlecht vorgestanden, du hast aber auch den Cyrus, der deinem Rat folgte, ins Verderben gestürzt; aber du sollst nicht ungestraft bleiben, da ich wirklich schon längst einen Vorwand gegen dich zu erhalten wünschte." Nach diesen Worten ergriff er den Bogen in der Absicht, den Krösus niederzuschießen; der aber sprang auf und eilte hinaus; da befahl Kambyses, als er ihn nicht schießen konnte, seinen Dienern, sollten ihn ergreifen und ums Leben bringen. Aber die Diener, die seine Gemütsart kannten, verbargen den Krösus aus dem Grunde, weil sie dachten, wenn es den Kambyses gereue und er nach dem Krösus forsche, denselben hervorzuholen und dann den Lohn für die Erhaltung seines Lebens zu empfangen[1] , wenn es aber den Kambyses nicht gereue und er nach Krösus kein Verlangen empfinde, so wollten sie ihn umbringen. In der That verlangte auch Kambyses nicht gar lange Zeit darauf nach dem Krösus; als dies die Diener bemerkten, benachrichtigten sie ihn, daß er noch am Leben sei. Kambyses gab. nun zwar seine Freude zu erkennen, daß Krösus noch am Leben sei, denjenigen aber, die ihn erhalten hatten, wollte er es nicht ungestraft hingehen, sondern hinrichten lassen; und dies that er auch.




37.-38

Vieles der Art verübte er in seiner Raserei gegen Perser und deren Verbündete, während er zu Memphis blieb, wo er die alten Gräber öffnen ließ und die darin befindlichen (einbalsamierten ) Leichname besah. So trat er unter anderem auch in den Tempel des Hephästos[1] und trieb mit dem Götterbilde vielen Spott. Das Bild des Hephästos nämlich ist ganz ähnlich den phönikischen Patäken[2] , welche die Phönikier an den Vorderteilen ihrer Trieren mit herumführen. Wer diese noch nicht gesehen hat, dem will ich beschreiben: es ist das Bild die Nachahmung eines Pygmäen.[3] Auch in den Tempel der Kabiren[4] trat Kambyses, in welchen einzutreten keinem andern als dem Priester erlaubt ist; auch diese Bildnisse ließ er verbrennen, nachdem er vielfach seinen Spott daran ausgelassen hatte. Es sind aber diese dem Bilde des Hephästos ähnlich, dessen Söhne auch sein sollen.


***
38.

Es ist mir nun vollkommen klar, daß Kambyses in eine schwere Raserei verfallen war: denn sonst würde er nicht daran gedacht haben, mit den Gebräuchen anderer Völker und mit dem, was ihnen heilig ist, seinen Spott zu treiben.[5] Wollte man nämlich allen Menschen überlassen, sich die schönsten unter allen Gebräuchen auszuwählen, so würde jedes Volk nach näherer Prüfung sich die seinigen wählen, weil eben jedes Volk des Glaubens ist, seine eigenen Gebräuche seien bei weitem die schönsten. Man kann sich daher auch gar nicht denken, daß ein anderer Mensch, als ein rasender, solche Dinge verlacht und verspottet. Daß aber alle Menschen hinsichtlich ihrer Gebräuche so denken, kann man aus manchen andern Zeichen entnehmen, darunter auch aus folgenden. Darius berief während seiner Herrschaft die anwesenden Hellenen zu sich und stellte an sie die Frage: um welchen Preis sie ihre gestorbenen Väter würden aufessen wollen. Sie erklärten, um keinen Preis würden sie dies thun. Darauf berief Darius die Inder, welche Kalatier[1] genannt werden und ihre Eltern verzehren, und fragte sie in Gegenwart der Hellenen, welche durch einen Dolmetscher alles, was gesprochen wurde, vernahmen: um welchen Preis sie es wohl über sich bringen würden, ihre gestorbenen Väter im Feuer zu verbrennen[2] . Da schrieen laut auf und baten ihn, doch nicht mit solchen Dingen zu kommen. So ist es nun einmal Sitte, und Pindar scheint mir recht zu haben, wenn er in einem seiner Gedichte behauptet: die Sitte sei König über alles.[3]




39.-43

Während Kambyses gegen Ägypten zu Felde zog[1] , hatten auch die Lakedämonier einen Kriegszug gegen Samos und gegen Polykrates, den Sohn des Äakes, unternommen, welcher infolge eines Aufstandes in den Besitz von Samos gelangt war.[2] Anfangs hatte er es in drei Teile geteilt, von welchen er zwei seinen Brüdern Pantagnotus und Syloson überwies; nachher aber tötete erden einen von ihnen, und den andern, jüngeren, Syloson, vertrieb er und machte zum Herrn von ganz Samos, und nun im Besitze desselben schloß er einen Freundschaftsbund mit Amasis[3] , dem König der Ägypter, indem er an ihn Geschenke schickte und von ihm andere empfing. Es nahm aber alsbald in kurzer Zeit die Macht des Polykrates zu und ward berühmt in Jonien wie in dem übrigen Griechenland.[4] Denn wohin er sich auch wendete mit seiner Heeresmacht, da ging ihm alles glücklich von statten: er hatte hundert Fünfzigruderer und tausend Bogenschützen[5] , womit er alles plünderte und verheerte, ohne irgend einen Unterschied zu machen. Denn er dachte, er werde eher dem Freunde gefällig erweisen durch Zurückgabe dessen, was er ihm genommen, als wenn er ihm überhaupt gar nichts genommen hätte. So hatte er nun viele Inseln erobert und viele Städte des festen Landes. Unter andern wurden auch die Lesbier, die mit gesamter Heeresmacht den Milesiern zu Hilfe eilten, von ihm in einer Seeschlacht besiegt; die in Bande gelegten Gefangenen sind es, welche den ganzen Graben, der um die Mauer zu Samos läuft, gemacht haben.[1]


***
40.

Dem Amasis entging nicht das große Glück des Polykrates, sondern es machte ihm Sorge; und als sein Glück noch mehr stieg, so schrieb er folgenden Brief[2] und sendete ihn nach Samos: "Also spricht Amasis zu Polykrates: es ist zwar angenehm zu hören, daß es meinem lieben Gastfreunde so wohl ergeht, allein dein großes Glück gefällt mir nicht, weil ich weiß, daß die Gottheit neidisch ist.[3] Und so wünsche ich denn auch für mich selbst, wie für alle, die mir am Herzen liegen, es möge zum einen Teil gelingen, was wir anfangen, zum andern Teil aber auch mißlingen, und will ich lieber in einem solchen Wechsel mein Leben verbringen, als in einem steten Wohlergehen.[1] Denn ich habe noch von niemand gehört, der nicht zuletzt ein schlimmes Ende genommen und alles verloren hätte, wenn er in allem glücklich war. Darum folge du mir jetzt und thue gegen dieses Glück folgendes. Überlege dir es, und was du findest, daß es für dich den meisten Wert hat, und dessen Verlust dich am meisten schmerzen wird, das wirf in der Art weg, daß es nie mehr unter die Menschen kommt. Und wenn nicht gleich von jetzt an abwechselnd in deinem Leben Glück und Unglück zusammentrifft, so hilf dir auf die von mir angegebene Weise."



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41.

Als Polykrates dies gelesen und sich überzeugt hatte, daß Amasis ihm einen guten Rat gegeben, forschte er nach, was wahl unter seinen Kostbarkeiten ihn am meisten schmerzen würde, wenn er es verlöre, und als er darüber nachdachte, kam er auf folgendes. Er trug einen Siegelring, der in Gold gefaßt war, aus einem Smaragd, ein Werk des Theodorus, des Sohnes des Telekles aus Samos[2] : diesen nun gedachte er wegzuwerfen und that deshalb folgendes. Er ließ einen Fünfzigruderer bemannen, welchen er selbst bestieg und dann in die hohe See steuern ließ. Als er nun in ziemlicher Entfernung von der Insel war, nahm er den Siegelring von seinem Finger ab und warf ihn vor den Augen aller, die auf dem Schiffe befanden, ins Meer; nachdem er dies gethan, fuhr er wieder zurück, und als er in sein Schloß gekommen war, überließ er sich dem Schmerze.



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42.

Aber am fünften oder sechsten Tage hernach begegnete ihm folgendes. Ein Fischer, der einen großen und schönen Fisch gefangen hatte, wünschte ihn dem Polykrates zum Geschenke zu geben; er brachte ihn daher an den Hof des Polykrates und erklärte, er wünsche vor diesen zu kommen. Alg ihm dies gewährt war, übergab er den Fisch mit den Worten: "O König, ich habe diesen Fisch gefangen und hielt es nicht für recht, ihn auf den Markt zu bringen, obwohl ich von meiner Hände Arbeit lebe, sondern er Schien mir deiner und deiner Herrschaft würdig; so bringe ich ihn nun dir zum Geschenk." Polykrates freute sich über diese Worte und erwiderte ihm folgendes: Du hast recht wohl daran gethan und verdienst einen doppelten Dank, für deine Worte wie für dein Geschenk; darum laden wir dich zur Tafel." Der Fischer, der dies hoch anschlug, begab sich sofort nach Hause; inzwischen zerschnitten die Diener den Fisch und fanden in seinem Bauche den Siegelring des Polykrates. Und sogleich wie sie ihn gefunden und herausgenommen, brachten ihn voll Freude zu Polykrates, übergaben ihm den Siegelring und erzählten, auf welche Weise er gefunden worden. Diesem aber kam es gleich in den Sinn, daß dies eine göttliche Fügung sei; er schrieb daher alles, was er gethan und was ihm begegnet, in einen Brief und schickte diesen nach Ägypten.



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43.

Als Amasis den Brief, der ihm von Polykrates zugekommen war, gelesen, erkannte er, daß es für einen Menschen unmöglich sei[1] , einen Menschen herauszureißen aus dem, was ihn treffen solle, daß es daher auch mit Polykrates, dem es in allem wohl gehe, kein gutes Ende nehmen werde, da er sogar das wieder finde, was er wegwerfe. Er schickte daher nach Samos einen Herold und ließ ihm die Gastfreundschaft aufkündigen. Er that dies deswegen, damit, wenn Polykrates von einem schweren und harten Unglück betroffen würde, er selbst sich nicht zu betrüben habe über das, was einem Gastfreunde widerfahren.




44.-48

Wider diesen Polykrates nun, der in allem so glücklich war, zogen die Lakedämonier zu Felde[1] , gerufen von denjenigen Samiern, die hernach Kydonia auf Kreta gegründet haben. Polykrates nämlich hatte zu Kambyses, des Cyrus Sohn, als dieser ein Heer gegen Ägypten sammelte, geschickt und ihn bitten lassen, er möge auch zu ihm nach Samos schicken und von ihm Truppen verlangen.[2] Wie dies Kambyses hörte, schickte er bereitwilligst nach Samos und ließ den Polykrates bitten, ihm ebenfalls gegen Ägypten eine Flotte zu schicken. Da wählte Polykrates diejenigen seiner Mitbürger aus, die er am meisten im Verdacht von wegen eines Aufstandes hatte, und sendete sie mit vierzig Trieren ab, wobei er dem Kambyses sagen ließ, er solle diese nicht mehr nach Hause zurückschicken.


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45.

Einige erzählen nun, die von Polykrates weggeschickten Samier wären gar nicht nach Ägypten gekommen, sondern als sie auf der Fahrt bei der Insel Karpathus[3] waren, hätten sie sich mit einander beraten und beschlossen, die Fahrt nicht weiter fortzusetzen; andere dagegen erzählen, sie wären nach Ägypten gekommen und, obwohl sie bewacht wurden, doch von da entkommen. Als sie aber nach Samos zurückfuhren, trat ihnen Polykrates mit seinen Schiffen entgegen, und es kam zu einer Schlacht, in welcher die Zurückkehrenden siegten und auf der Insel landeten; hernach aber unterlagen sie in einem Landgefechte, und so fuhren sie dann nach Lakedämon. Einige geben an, die von Ägypten Entwichenen hätten den Polykrates besiegt, aber es scheint mir diese Angabe nicht richtig zu sein; denn sie hätten dann nicht nötig gehabt, die Lakedämonier zu Hilfe zu rufen, wenn sie selbst im stande gewesen wären, den Polykrates zu bewältigen. Überdem ist es auch gar nicht denkbar, daß derjenige, dem gedungene Hilfsvölker und sehr viele eigene Bogenschützen[1] zu Gebote standen, den zurückkehrenden Samiern, deren es doch nur wenige waren, unterlegen sei; auch hatte Polykrates die Kinder und Weiber der Bürger, die .ihm unterworfen waren, in die Schiffswerfte eingeschlossen, wo er sie in Bereitschaft hielt, um für den Fall, daß jene mit den Zurückkehrenden in einen Verrat sich einlassen würden, sie samt den Schiffswerften zu verbrennen.



***
46.

Als die von Polykrates vertriebenen Samier nach Sparta kamen, traten sie vor die Ephoren[2] und hielten eine lange Rede mit eindringlichen Bitten. Diese aber erwiderten ihnen bei dem ersten Auftreten, sie hätten den Anfang der Rede vergessen und das Ende verstünden sie nicht. Als sie darauf zum zweiten Male vor die Ephoren traten, sprachen sie weiter gar nichts, sondern brachten einen Brotsack mit und erklärten, der Sack verlange nach Brot. Die Ephoren gaben ihnen darauf die Antwort, den Brotsack hätten sie nicht nötig gehabt; indessen beschloß man, ihnen Hilfe zu leisten.



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47.

Und darauf rüsteten sich die Lakedämonier zu einem Kriegszuge gegen Samos, wie die Samier versichern, aus Dankbarkeit für empfangene Wohlthaten, insofern die Samier früher ihnen mit Schiffen im Kampf mit den Messeniern Hilfe geleistet hatten[3] , wie aber die Lakedämonier versichern, zogen sie ins Feld nicht sowohl um den Samiern auf ihr Verlangen Beistand zu leisten, als weil sie Rache nehmen wollten für den Raub des Mischkruges, den sie dem Krösus bringen wollten[4] , und für den Panzer, welchen Amasis, der König von Ägypten, ihnen zum Geschenk übersendet hatte 5 : diesen Panzer nämlich, welcher von Linnen war, mit eingewebten Figuren und mit Gold und Baumwolle geschmückt, hatten die Samier ein Jahr vor dem Mischkrug geraubt; was aber diesen Panzer so bewundernswürdig macht, ist der Umstand, daß ein jeder Faden, so dünn er ist, in sich dreihundertundsechzig Fäden enthält, welche alle sichtbar sind. Ebenso ist auch der andere Panzer beschaffen, welchen Amasis der Athene zu Lindus geweiht hat.[1]



***
48.

Es nahmen an dem Zuge gegen Samos, so daß er zu stande kam, auch die Korinther bereitwillig Anteil. Denn auch hatten von seiten der Samier eine Unbill erlitten, ein Menschenalter vor diesem Zug[2] , etwa um dieselbe Zeit als der Raub des Mischkruges stattfand. Es hatte nämlich Periander, des Kypselos Sohn, dreihundert Knaben der angesehensten Männer Corcyra's nach Sardes zu Alyattes geschickt, um dort verschnitten zu werden.[3] Als nun die Korinther, welche die Knaben dahin führten, zu Samos landeten und die Samier den Grund erfuhren, weshalb die Knaben nach Sardes gebracht wurden, so wiesen sie zuerst die Knaben an, das Heiligtum der Artemis zu erfassen, und gestatteten hernach nicht, daß man die Flüchtlinge aus dem Tempel riß; und als die Korinther den Knaben die Lebensmittel vorenthielten, so veranstalteten die Samier ein Fest, das sie auch noch jetzt auf dieselbe Weise begehen. Sowie die Nacht angebrochen war, veranstalteten sie so lange, als die flüchtigen Knaben da saßen, Reigen von Jungfrauen und Jünglingen, und bei der Anordnung des Reigens führten sie auch die Sitte ein, Kuchen von Sesam und Honig mitzubringen, damit die corcyräischen Knaben sie wegnähmen und dadurch eine Nahrung hätten. Es geschah dies aber so lange, bis die Korinther, welche die Knaben zu bewachen hatten, sich eilig davon machten; die Samier brachten dann die Knaben nach Corcyra zurück.




49.

Wenn nun nach dem Tode des Periander die Korinther sich wieder mit den Corcyräern befreundet hätten, so würden sie nicht an dem Zuge gegen Samos um deser Ursache willen teil genommen haben; so aber leben sie, seitdem sie die Insel besiedelt, in fortwährender Feindschaft mit einander. Aus diesem Grunde also grollten die Korinther den Samiern. Periander aber sendete die Knaben der vornehmsten Corcyräer, die er ausgewählt hatte, nach Sardes, um dort verschnitten zu werden, aus Rache; denn die Corcyräer hatten vorher eine frevelhafte That ihm angethan.[1]



50.-53

Als nämlich Periander sein Weib Melissa tötete[2] , so kam zu diesem bereits geschehenen Unglück zufällig noch ein anderes folgender Art ihm hinzu. Er hatte von der Melissa zwei Söhne[3] , von welchen der eine siebzehn, der andere achtzehn Jahre alt war. Diese ließ ihr Großvater mütterlicherseits, Prokles, welcher Herrscher von Epidamnus war, zu sich kommen und behandelte sie freundlich, wie es natürlich war, da die Söhne seiner Tochter waren. Als er sie nun wieder entließ und ihnen das Geleit gab, sprach er zu ihnen: "Wißt ihr denn, Kinder, wer eure Mutter umgebracht hat?" Dieses Wort beachtete der ältere der Söhne nicht weiter, der jüngere aber, mit Namen Lykophron, betrübte als er dies hörte, so sehr, daß er, als er nach Korinth gekommen war, seinen Vater, als den Mörder seiner Mutter, weder anredete, noch mit ihm in irgend ein Gespräch sich einließ und auf seine Frage gar keine Antwort gab. Da trieb ihn Periander zuletzt, von Zorn erfüllt, aus dem Hause.


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51.

Nachdem er diesen vertrieben, fragte er den älteren, was der Großvater mit ihnen gesprochen hätte. Dieser erzählte ihm darauf, daß der Großvater sie freundlich aufgenommen; jenes Wortes aber, welches Prokles zu ihnen bei dem Weggang gesagt hatte, erinnerte er sich nicht, weil er es nicht beachtet hatte. Periander aber meinte, es sei gar nicht anders möglich, als daß er ihnen irgend etwas angedeutet habe, und beharrte auf seiner Frage. Da erinnerte sich jener auch dieses Wortes und sagte es ihm. Periander aber beachtete dies wohl, und da er sich nicht nachgiebig zeigen wollte, schickte er seine Leute überall hin, wo der von ihm vertriebene Sohn aufhielt, und ließ jedermann verbieten, denselben in seine Wohnung aufzunehmen. So mußte der verstoßene Sohn, so oft er in ein anderes Haus trat, auch dieses wieder verlassen, da Periander die, welche ihn aufgenommen, mit Drohungen aufforderte, ihn auszuschließen. Da wendete er überall verstoßen, zu einem andern Hause von seinen Freunden, und diese nahmen ihn, obwohl sie in Furcht waren, doch, weil er ein Sohn des Periander war, auf.



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52.

Zulebt aber ließ Periander öffentlich durch einen Herold bekannt machen, daß, wer ihn in seiner Wohnung aufnehme oder mit ihm sich in ein Gespräch einlasse, dem Apollo eine heilige Buße zu zahlen[1] habe, so und so viel, als er bestimmte. Auf diese Bekanntmachung hin wollte niemand mit dem Sohne sprechen oder ihn in seiner Wohnung aufnehmen; er selbst aber hielt es auch für Unrecht, noch irgend einen Versuch gegen ein solches Verbot zu machen, sondern trieb sich beständig in den Säulenhallen herum. So erblickte ihn Periander am vierten Tage und empfand Mitleiden mit ihm, da er ganz zusammengefallen war, im Schmutz und Mangel an aller Nahrung; er begab sich seines Zornes, trat näher zu ihm und sprach: "Mein Sohn, welches von beiden ist vorzuziehen? Die Lage, in der du jetzt dich befindest, oder die Herrschaft und die Güter, in deren Besitz ich jetzt bin, zu bekommen, wenn du deinem Vater willfährig bist? Du bist doch mein Sohn und ein Fürst des reichen Korinth[1] und ziehst ein Bettlerleben vor, aus Widerspenstigkeit und Zorn gegen den, gegen den du am wenigsten dich so benehmen solltest. Denn wenn in unserem Hause ein Unglück stattgefunden hat, wegen dessen du mich scheel ansiehst, so ist es mein Unglück, und habe ich es um so mehr zu tragen, als ich es selber bewirkt habe. Du sollst aber erkennen, nrn wie viel besser es ist, beneidet, als bemitleidet zu werden[2] , ebenso aber auch, was es heißt, erzürnt zu sein gegen seine Eltern und gegen Mächtigere; darum kehre in mein Haus zurück." Mit diesen Worten suchte Periander ihn gewinnen; aber er gab darauf dem Vater weiter nichts zur Antwort, als daß er sagte, er sei die heilige Buße an den Gott zu entrichten schuldig, weil er mit ihm in ein Gespräch sich eingelassen. Da erkannte Periander, daß das Übel bei seinem Sohne unmöglich zu heben und zu bewältigen sei; er schickte ihn daher auf einem Schiffe, das er hatte ausrüsten lassen, aus seinen Augen weg nach Corcyra; denn er beherrschte auch dieses. Nachdem er aber ihn abgeschickt hatte, unternahm er einen Kriegszug gegen Seinen Schwiegervater Prokles, weil er diesen als die Hauptursache dieser Zerwürfnisse betrachtete; er nahm auch Epidaurus ein und bemächtigte sich des Prokles, der lebend in seine Hände geriet.



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53.

Als jedoch im Laufe der Zeit Periander in das Greisenalter getreten war und wohl fühlte, daß er nicht mehr im stande sei, die Geschäfte zu übersehen und zu besorgen, schickte er nach Corcyra und ließ den Lykophron zur Herrschaft (über Korinth) berufen. Denn den älteren Sohn hielt er dazu nicht für geeignet, Sondern dieser schien ihm schwach an Verstand sein. Lykophron aber würdigte den, der die Botschaft an ihn überbrachte, gar keiner Antwort. Da schickte Periander, der sehr an dem jungen Manne hing, zum zweiten Male zu ihm dessen Schwester, also seine Tochter, weil er dachte, dieser würde er am ehesten folgen. Als diese angekommen war, sprach sie also: "Lieber Junge, willst du, daß die Herrschaft eher an andere kommt und das Haus des Vaters in Trümmer fällt, als daß du zurückkehrst und es selbst in Besitz nimmst? Kehre nach Hause zurück, höre auf, dich selbst zu strafen. Eigensinn ist ein schlimmes Ding; suche nicht ein übel mit einem anderen wieder gut zu machen. Viele ziehen dem, was gerecht ist, das, was billig ist, vor; viele haben auch schon, indem das Mütterliche suchten, das Väterliche verloren. Die Herrschaft ist ein schlüpfriges Ding; viele sind es, die nach ihr begehren; er aber ist ein Greis und hoch bei Jahren; darum überlaß nicht andern dein eigenes Gut." Diese Worte, die am meisten ihn bewegen konnten, sprach sie, wie sie der Vater ihr eingegeben hatte. Lykophron aber erklärte, daß er nimmermehr nach Korinth kommen werde, so lange er höre, daß sein Vater noch am Leben sei. Als die Tochter dies dem Periander gemeldet, schickte er zum dritten Male einen Herold mit der Versicherung, er wolle lieber selbst nach Corcyra gehen, den Lykophron aber forderte er auf, nach Korinth zu kommen und als sein Nachfolger in die Herrschaft einzutreten Als-darauf hin der Sohn eingewilligt, so traf Periander sofort seine Anstalt zur Fahrt nach Corcyra und ebenso der Sohn zur Fahrt nach Korinth; allein die Corcyräer, welche von allem dem unterrichtet waren, töteten den Jüngling, damit Periander nicht in ihr Land komme. Dafür nun suchte Periander an den Corcyräern Rache zunehmen.




54.-56

Es kamen aber die Lakedämonier[1] mit einer großen Flotte nach Samos und schritten sofort zur Belagerung. Sie rückten zuerst gegen die Mauer und erstiegen den Turm, der am Meere steht bei der Vorstadt; hernach aber, als Polykrates selbst mit zahlreicher Mannschaft herbeieilte, wurden sie wieder zurückgeschlagen. Bei dem oberen Turm aber, der sich auf dem Rücken des Berges befindet[2] , machten die Söldner[3] und die Samier selbst in großer Zahl einen Ausfall; sie hielten jedoch nur kurze Zeit aus gegen die Lakedämonier und flohen zurück; diese folgten ihnen auf dem Fuße und hieben auf sie ein.


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55.

Wenn nun die anwesenden Lakedämonier an diesem Tage dem Archias und Lykopas ähnlich gewesen wären, so würde Samos eingenommen worden sein. Archias nämlich und Lykopas waren die einzigen, welche mit den fliehenden Samiern in die Mauer drangen und hier, da ihnen der Rückweg abgeschnitten war, in der Stadt der Samier den Tod fanden. Mit einem andern Archias, der von diesem in dritter Reihe abstammte, dem Sohne des Samios und Enkel des Archias kam ich selbst zusammen zu Pitane[1] , da er aus diesem Orte war; dieser ehrte unter allen Gastfreunden am meisten die Samier und versicherte, seinem Vater sei der Name Samios gegeben worden, weil dessen Vater Archias zu Samos den Heldentod erlitten; deshalb aber ehre er die Samier, weil sein Großvater auf Staatskosten von den Samiern beerdigt worden sei.



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56.

Die Lakedämonier aber kehrten, nachdem über der Belagerung von Samos vierzig Tage verstrichen waren, ohne daß ihr Unternehmen in irgend einer Weise vorwärts ging, in den Peloponnes zurück. Nach einer andern, wohl verbreiteten, aber unbegründeten Sage hätte Polykrates eine Menge einheimischer Münze aus Blei schlagen und vergolden lassen[2] , welche er ihnen gegeben; hätten dieselbe in Empfang genommen und wären dann abgesegelt. Jedenfalls war dies der erste Kriegszug, welchen die lakedämonischen Dorier nach Asien unternommen haben.




57.-58

Die Samier aber, welche gegen den Polykrates zu Felde gezogen waren, fuhren, da die Lakedämonier sie verlassen wollten, ebenfalls weg nach Siphnus[1] , denn sie hatten Geld nötig; der Zustand der Siphnier aber war damals ein blühender, und waren die reichsten unter allen Inselbewohnern, weil sie auf ihrer Insel Gold- und Silberbergwerke hatten, also, daß von dem Zehnten des Ertrages ein Schatzhaus[2] zu Delphi geweiht haben, gleich den allerreichsten Staaten; im übrigen verteilten sie jedes Jahr unter sich den Ertrag. Als sie nun das Schatzhaus bauen ließen, befragten das Orakel, ob es möglich sei, daß sie noch lange Zeit in der gegenwärtigen glücklichen Lage blieben, worauf die Pythia ihnen folgenden Spruch erteilte:

Wenn dann weiß zu Siphnus dereinst erscheinet das Rathaus,
Weiß auch glänzet der Markt, dann wird euch nötig ein Kluger,
Um vor der hölzernen Schar und dem roten Herold zu schützen.

Es war nämlich damals zu Siphnus der Markt und das Rathaus mit parischem Marmor[3] geschmückt.


***
58.

Diesen Spruch waren sie nicht im stande zu verstehen, weder damals sogleich, noch als die Samier angekommen waren. Denn sowie die Samier bei Siphnus angelegt hatten, sendeten eines ihrer Schiffe, welches Gesandte an Bord hatte, nach der Stadt. Nun waren vor alters alle Schiffe mit Mennig angestrichen[4] , und dies war es, was die Pythia den Siphniern vorher bedeutete, indem sie dieselben aufforderte, vor der hölzernen Schar und dem roten Herold zu hüten. Als die Abgeordneten der Samier angekommen waren, stellten an die Siphnier die Bitte, ihnen zehn Talente[1] zu leihen, und als die Siphnier dieses Darlehen ihnen verweigerten, so verheerten sie deren Ländereien. Als dies die Siphnier gewahr wurden, eilten sie sogleich herbei, unterlagen aber im Kampfe mit den Samiern, und ihrer viele wurden von denselben abgeschnitten vor der Stadt. Und hernach erpreßten sie von ihnen hundert Talente.




59.

Von den Hermione'nsern bekamen dann um Geld die Insel Hydrea[2] , die am Peloponnes liegt, und übergaben dieselbe zum Schutze den Trözeniern sie selbst gründeten Kydonia[3] auf Kreta, wohin sie nicht zu diesem Zwecke gefahren waren, sondern um die Zakynthier aus der Insel zu vertreiben. Dort blieben und waren im Wohlstande fünf Jahre lang, so daß sie zunächst die Tempel, die in Kydonia jetzt sind, insbesondere den Tempel der Diktynna 4 , ]erbaut haben. Aber im sechsten Jahre wurden sie von den mit Kretern verbündeten Agineten in einer Seeschlacht besiegt und zu Sklaven gemacht: die Schnäbel der Schiffe, welche das Aussehen von Ebern hatten[1] , hieben die Sieger vorn ab und weihten sie dann in den Tempel der Athene[2] auf Ägina. Dies thaten die Ägineten, weil sie einen Groll auf die Samier hatten, welche früher, zu der Zeit, als Amphikrates in Samos Herrscher war[3,] wider Ägina zu Felde gezogen und den Agineten viel Übles zugefügt, aber auch manches von diesen erlitten hatten. Das war also die Ursache.



60.

Ich habe bei den Samiern etwas länger verweilt[4,] weil sie drei der größten Werke ausgeführt haben: nämlich einen Graben, den durch einen an hundert und fünfzig Klafter hohen Berg[5] von unten an zu graben begannen, mit doppelter Mündung[6] ; die Länge des Grabens beträgt sieben Stadien [1,285 km], die Höhe und Breite desselben je acht Fuß; ganz durch diesen Graben ist noch ein anderer Graben geführt in einer Länge von zwanzig Ellen[7] und in einer Breite von drei Fuß, durch welchen das aus einer großen Quelle dahin geleitete Wasser mittelst Röhren gefaßt in die Stadt gelangt[1] : der Baumeister dieses Grabens war Eupalinus, des Naustrophus Sohn aus Megara. Dies nun ist das eine von den drei Werken; das andere ist ein Damm um den Hafen herum am Meere, zwanzig Klafter in die Tiefe, und beträgt die Länge des Dammes mehr als zwei Stadien[2] . Das dritte Werk, das von ihnen aufgeführt worden, ist ein Tempel, der größte von allen Tempeln meines Wissens[3] : der erste Baumeister desselben war Rhökos 1 , des Phileas Sohn, ein Einheimischer. Darum habe ich mich über Samos etwas ausführlicher verbreitet.



61.-63

Während Kambyses[2] , der Sohn des Cyrus, noch in Ägypten weilte und in seiner Raserei tobte, erhoben wider ihn zwei Magier, Brüder, von welchen Kambyses den einen als Verwalter seines Hauses zurückgelassen hatte: und dieser war es nun, der wider ihn erhob, nachdem er erfahren hatte, wie der Tod des Smerdis geheimgehalten wurde und nur wenige Personen davon wußten, während die meisten meinten, er sei noch am Leben. Darauf hin machte er folgenden Anschlag und trachtete nach dem Königreich. Er hatte einen Bruder, der, wie ich eben bemerkt, mit ihm zugleich sich erhob und an Gestalt ganz ähnlich war dem Smerdis, dem Sohne des Cyrus und Bruder des Kambyses, der ihn gleichwohl hatte umbringen lassen[3] . Diesem Smerdis nun war er nicht bloß an Gestalt ähnlich, sondern er hatte auch denselben Namen Smerdis. Diesen Mann beredete der Magier Patizeithes, er werde ihm alles ausrichten; dann nahm er ihn und setzte ihn auf den königlichen Thron; und als er dies gethan, schickte er Herolde nach allen Orten, sowie auch nach Ägypten, und ließ dem Heere verkünden, daß man fürderhin dem Sinerdis, dem Sohne des Cyrus, zu gehorchen habe, aber nicht dem Kambyses.


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62.

Die übrigen Herolde nun verkündeten dies; auch der nach Ägypten bestimmte, welcher den Kambyses und dessen Heer zu Aghatana[1] in Syrien traf, trat vor das Heer und verkündete den vom Magier ihm erteilten Auftrag. Als dies Kambyses von dem Herold vernahm, glaubte er, derselbe sage die Wahrheit und er sei von Prexaspes verraten worden; dieser nämlich, der von ihm abgeschickt worden, um den Smerdis umzubringen, habe es nicht gethan; da warf er einen Blick auf den Prexaspes und sprach zu ihm: "Prexaspes, hast du auf diese Weise das Geschäft, das ich dir aufgetragen, ausgeführt?" Dieser aber erwiderte: "O Gebieter, das ist nicht wahr, daß dein Bruder Smerdis wider dich aufgestanden, und du hast nimmermehr von seiten jenes Mannes einen Streit zu erwarten, er sei groß oder klein; denn ich selbst habe gethan, was du mich geheißen, und ihn mit meinen eigenen Händen begraben[2] . Wenn freilich die Toten wieder auferstehen, dann hast du auch zu erwarten, daß Astyages, der Meder, wieder aufersteht: wenn es aber so ist wie zuvor, so kann nimmermehr, wenigstens von seiten jenes M annes, irgend etwas Schlimmes für dich erwachsen. Daher geht meine Meinung dahin, den Herold rufen zu lassen, ihn zu fragen und auszuforschen, von wem er gekommen und uns verkündet, dem Smerdis als König zu gehorchen."



***
63.

Diese Worte des Prexaspes gefielen dem Kambyses; alsbald kam auch der Herold, welchen man eingeholt hatte. Als er nun angekommen, so richtete Prexaspes an ihn folgende Frage:"O Mensch, du behauptest ja gekommen zu sein als ein Bote von Smerdis, dem Sohne des Cyrus; nun sprich die Wahrheit, und es soll dir kein Leid geschehen. Ist Smerdis selbst vor deinen Augen erschienen, als er dir diesen Auftrag gab, oder that es einer von seinen Dienern ?" Worauf derselbe erwiderte: "Ich habe den Smerdis, den Sohn des Cyrus, nicht mehr gesehen seit der Zeit, wo der König Kambyses nach Ägypten zog, der Magier aber, welchen Kambyses zum Verwalter seines Hauses zurückgelassen hatte[1] , war es, der mir diesen Auftrag gab, mit der Versicherung, Smerdis, des Cyrus Sohn, sei es, welcher mir auftrage, dies Euch zu melden." Also sprach zu ihm der Herold, ganz der Wahrheit gemäß. Kambyses aber sagte darauf: "Prexaspes, du hast, als ein braver Mann, gethan, was ich dich geheißen, und hifi außer aller Schuld; wer aber kann es wohl sein unter den Persern, der sich wider mich erhoben hat und sich dabei auf den Namen Siner: dis stützte O König," erwiderte dieser, "ich glaube den ganzen Vorfall zu erraten; die Magier sind es, welche sich wider dich erhoben, Patizeithes, den du als Aufseher des Hauses zurückgelassen, und dessen Bruder Smerdis."




64.-65

Als Kambyses den Namen Smerdis vernahm, fühlte er sich getroffen von der Wahrheit dieser Worte, sowie des Traumes, in welchem er eine Meldung vernommen zu haben glaubte, daß Smerdis auf den königlichen Thron sich gesetzt und mit seinem Haupte den Himmel berühre[2] . Als er nun eingesehen, daß er umsonst seinen Bruder um das Leben gebracht, fing er an zu weinen über Smerdis. Und als er sich ausgeweint und über das ganze Unglück sich in Klagen ergossen, schwang er sich auf sein Roß, in der Absicht, aufs schnellste nach Susa mit seinem Heere zu ziehen wider den Magier. Und wie er auf das Roß schwang, fiel das Band der Scheide seines Schwertes[3] herab und das bloß gewordene Schwert fuhr ihm in den Schenkel. So an derselben Stelle verwundet, wo er selbst früher den Apis, den Gott der Ägypter, getroffen hatte[4] , frug Kambyses, da ihm die Wunde tödlich zu sein schien, was die Stadt für einen Namen habe; worauf man ihm erwiderte, dieselbe heiße Aghatana: in Agbatana aber, war ihm schon früher von der Stadt Buto[1] aus geweissagt worden, werde er sein Leben endigen: er vermeinte daher im Alter zu sterben in dem medischen Agbatana, wo der Sitz seiner gesamten Macht war: das Orakel aber hatte das syrische Agbatana gemeint. Wie er nun damals auf seine Frage den Namen der Stadt erfuhr, kam er wieder, infolge der Bestürzung über das Unglück von seiten des Magiers, sowie infolge der Wunde, zur Besinnung, und sprach, nachdem er den Sinn des Götterspruches erkannt hatte, also: "Hier soll nach dem Ratschluß des Schicksals[2] Kambyses, des Cyrus Sohn, sein Leben endigen."


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65.

Damals sprach er nur so viel; etwa zwanzig Tage nachher aber ließ er die angesehensten unter den anwesenden Persern[3] zu entbieten und hielt an sie die folgende Ansprache: "Perser, es drängt mich euch das zu offenbaren, was ich unter allem am meisten zu verbergen suchte. Wie ich nämlich in Ägypten war, sah ich ein Traumgesicht, wie ich es nimmermehr hätte sehen sollen. Ich glaubte nämlich, es käme zu mir ein Bote von Hause aus mit der Meldung, daß Smerdis auf den königlichen Thron sich gesetzt und mit seinem Haupte den Himmel berühre[4] . Aus Furcht nun, ich möchte durch meinen Bruder der Herrschaft verlustig werden, that ich folgendes, mit mehr übereilung als Verstand: denn es liegt nicht inder menschlichen Natur, das abzuwenden, was nun einmal geschehen soll[5] : ich nämlich, der Thor, entsendete den Prexaspes nach Susa, um den Smerdis umzubringen. Und als diese schlimme That vollbracht war, lebte ich furchtlos, ohne je daran zu denken, daß auch ein anderer Mensch, nachdem Smerdis aus dem Wege geräumt war, wider mich aufstehen könnte. So bin ich; nachdem ich mich ganz in der Zukunft getäuscht, zum Mörder meines Bruders geworden ohne Not, und bin ich darum nicht weniger des Königreiches verlustig geworden. Denn es war Smerdis, der Magier, welchen die Gottheit mir im Traume bezeichnete als den, welcher wider mich erheben werde. Diese That nun ist von mir vollbracht worden, und ihr könnt den Smerdis, den Sohn des Cyrus, nicht mehr zu den eurigen zählen: dafür aber sind die Magier Herren des Königreichs, derjenige, den ich als Verwalter meines Hauses zurückgelassen und dessen Bruder Smerdis. Der nun, welcher mir gegen die Schmach, welche die Magier mir angethan, zunächst beistehen sollte, ist eines gottlosen Todes gestorben durch seinen eigenen nächsten Anverwandten. Da dieser nun nicht mehr am Leben ist, so wird es hinsichtlich der Zukunft für mich durchaus notwendig, euch das aufzutragen, was ich will daß es für mich geschehe, wenn ich mein Leben endige. Und so gebe ich nun, indem ich die königlichen Götter[1] anrufe, es euch ernstlich auf, euch allen, wie insbesondere den Anwesenden aus dem Stamme der Achämeniden, es nimmermehr geschehen zu lassen, daß die Herrschaft wieder auf die Meder übergehe, sondern, wenn dieselbe durch List erworben haben, so soll sie von euch durch List ihnen wieder entrissen werden, und wenn sie durch irgend eine Gewalt dieselbe verschafft haben, so sollt ihr sie auch durch Gewalt mit aller Macht wieder an euch bringen. Und wenn ihr dies thut, so soll die Erde euch Frucht bringen und die Weiber wie die Herden fruchtbar sein[2] , ihr selbst aber sollt frei sein auf alle Zeit; habt ihr aber die Herrschaft nicht wiedergewonnen und auch nicht den Versuch gemacht, dieselbe wiederzugewinnen, so flehe ich, daß das Gegenteil euch widerfahre, und soll es überdem jedem Perser zuletzt ebenso ergehen, wie es mir ergangen ist!" Während Kambyses diese Worte sprach, weinte er zugleich laut über alles, was ihm widerfahren.




66.

Wie nun die Perser ihren König weinen sahen, so zerrissen[1] alle, was von Kleidung an sich hatten, und erhoben ein gewaltiges Jammergeschrei. Als abe Knochen angegriffen ward und der Schenkel alsbald in Fäulnis geriet[2] , erfaßte der Tod den Kambyses, den Sohn des Cyrus, nach einer Regierung von sieben Jahren und fünf Monaten in allem[3] , und starb er ohne alle Nachkommenschaft männlichen oder weiblichen Geschlechts. Die anwesenden Perser wollten nun durchaus nicht glauben, daß die Magier im Besitze der Herrschaft wären, sondern waren der Meinung, Kambyses habe das, was er über den Tod des Smerdis gesagt, nur in der bösen Absicht gesprochen, daß das gesamte persische Volk ihm verfeindet würde. Sie glaubten also, Smerdis, des Cyrus Sohn, sei als König aufgestanden: denn auch Prexaspes leugnete hartnäckig, den Smerdis ums Leben gebracht zu haben, weil es für ihn allerdings gefährlich war, nach dem Tode des Kambyses zu erklären, daß er den Sohn des Cyrus mit eigener Hand ums Leben gebracht habe.



67.-69

Nach dem Tode des Kambyses herrschte also der Magier ohne Furcht, indem er auf den gleichen Namen des Smerdis, des Sohnes des Cyrus, stützte, die sieben Monate[4] , die dem Kambyses noch fehlten, um die acht Jahre voll zu machen; während dieser Zeit erwies er allen seinen Unterthanen große Wohlthaten[5] , so daß alle, die in Asien wohnten, mit Ausnahme der Perser selbst, eine Sehnsucht nach ihm empfanden, als er gestorben war. Denn der Magier hatte überall hin Boten geschickt zu jedem der Völker seiner Herrschaft und ihnen Freiheit vom Kriegsdienst, wie vom Tribut, auf drei Jahre verkünden lassen.


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68.

Diese Verkündigung geschah gleich bei dem Eintritt in die Herrschaft, im achten Monat aber wurde er auf folgende Weise entdeckt. Otanes[1] , des Pharnaspes Sohn, war von Geburt und Vermögen einer der ersten von den Persern; dieser Otanes schöpfte zuerst Verdacht gegen den Magier, daß er nicht Smerdis, der Sohn des Cyrus, wäre, sondern derjenige, der er wirklich war; er schloß dies daraus, daß der Magier aus der Burg nicht herauszugehen pflegte, noch irgend einen der angesehenen Perser vor sich rufen ließ. Infolge dieses Verdachtes veranstaltete er folgendes. Kambyses hatte seine Tochter, welche Phaidyme[2] hieß, zum Weibe, und eben diese hatte auch der Magier genommen und lebte mit ihr, wie mit allen andern Weibern des Kambyses zusammen[3] . Zu dieser seiner Tochter schickte nun Otanes und ließ sie fragen, bei welchem Manne schliche, ob Smerdis, des Cyrus Sohn; oder irgend ein anderer es sei: worauf sie ihm die Antwort zurückschickte, wisse es nicht, denn habe nie den Smerdis, den Sohn des Cyrus, gesehen und wisse auch nicht, wer der sei, der bei ihr schlafe. Abermals schickte darauf Otanes zu ihr und ließ ihr sagen: Wenn du auch nicht selbst den Smerdis, den Sohn des Cyrus, kennst, so kannst du es doch von der Atossa[1] erfahren, wer der ist, der bei ihr, wie bei dir schläft: denn sie wird doch auf jeden Fall ihren eigenen Bruder kennen."



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69.

Darauf läßt ihm seine Tochter zurücksagen: "Ich kann weder mit der Atossa zu einem Gespräch kommen, noch irgend eine andere von den Frauen, die mit uns hier zusammenwohnen[2] , sehen denn sowie dieser Mensch, wer es nun auch ist, die Regierung in seine Hände bekommen, hat er uns von einander getrennt und jeder einen andern Ort angewiesen. Als dies Dtanes hörte, wurde ihm die Sache immer klarer, und so schickte er eine dritte Botschaft an seine Tochter und ließ ihr folgendes sagen: "Meine Tochter, du mußt, da du von edler Geburt bist, einer Gefahr dich unterziehen, welche dein Vater dir auferlegt. Denn wenn es nicht Smerdis, des Cyrus Sohn, ist, sondern der, den ich vermute, der mit dir schläft und die Macht der Perser in Händen hat, so soll er nicht ungestraft davonkommen, sondern dafür büßen. Darum nun thue folgendes: wenn er mit dir zusammenliegt und du merkst, daß er eingeschlafen ist, so befühle seine Ohren; und wenn du siehst, daß er Ohren hat, so kannst du glauben, daß du des Smerdis, des Sohnes des Cyrus, Gattin bist; wenn er aber keine Ohren hat, so ist es Smerdis der Magier." Darauf läßt ihm Phaidyme zurücksagen , sie werde in eine große Gefahr kommen, wenn sie dies thue; denn für den Fall, daß er keine Ohren habe, und ertappt würde, wenn sie ihn befühle, so habe die Gewißheit, daß er sie ums Leben bringen lassen werde. Demungeachtet aber wolle sie es thun. So versprach sie also ihrem Vater dies auszuführen. Es hatte nämlich Cyrus, des Kambyses Sohn, während seiner Herrschaft diesem Magier Smerdis die Ohren abschneiden lassen[3] , um irgend einer, nicht geringen Ursache willen. Diese Phaidyme nun, des Otanes Tochter, führte alles, was sie dem Vater versprochen hatte, aus, und als an sie die Reihe kam, zu dem Magier zu gehen (denn bei den Persern kommen die Weiber nach der Reihe daran), so begab sie sich zu ihm und schlief mit ihm. Als nun der Magier fest schlief, befühlte sie seine Ohren und merkte nicht schwer, sondern leicht, daß der Mann keine Ohren hatte; sie schickte daher, sowie es Tag geworden war, zu ihrem Vater und gab ihm Kenntnis von dem Vorfall.




70.

Da nahm Otanes den Aspathines[1] und Gobryas[2] , welche zu den ersten unter den Persern gehörten und ihm völlig ergeben waren, zu sich und teilte ihnen im Vertrauen die ganze Sache mit. Diese hatten ebenfalls schon Verdacht, daß es sich so verhalte, und nahmen daher, als Otanes ihnen dies vorgelegt hatte, seine Vorschläge an: zugleich beschlossen sie, es solle ein jeder von ihnen einen Perser, und zwar denjenigen, welchem er am meisten vertraue, zum Genossen weiter zu gewinnen suchen; demzufolge führte Otanes den Intaphernes[3] herzu, Gobryas den Megabyzug und Aspathines den Hydarnes. Als es aber sechs waren, erschien Darius, des Hysiaspes Sohn[4] , der aus Persien[5] , wo sein Vater Statthalter war, gekommen war, zu Susa: als dieser angekommen war, beschlossen die sechs Perser, auch den Darius in ihre Verbindung aufzunehmen.



71.-73

Diese, sieben in allem[6] ), traten nun zusammen und schlossen mit einander einen Bund der Treue; und als es an den Darius kam, seine Meinung auszusprechen, sagte er zu ihnen folgendes: "Ich glaubte allein es zu wissen, daß es der Magier welcher jetzt König über uns ist, und daß Smerdis, dez Cyrus Sohn, gestorben ist: eben deswegen kam ich eilends hierher, um mich mit euch zu verbinden zur Tötung des Magiers. Da es nun aber so getroffen hat, daß auch ihr es wißt und nicht ich allein, so glaube ich, wir müssen sofort handeln und ohne allen Verzug: denn sonst wird es nicht gut gehen." Darauf erwiderte Otanes: "Sohn des Hystaspes, du bist der Sohn eines wackeren Vaters, und zeigst dich, wie wir sehen, nicht minder wacker als dein Vater; indessen beeile doch nicht so sehr diese Unternehmung unbedachtsam, sondern nimm dieselbe erst in reifliche Überlegung. Denn dann erst, wenn es unserer mehr geworden sind, dürfen wir ans Werk gehen." Darauf spricht Darius: "Ihr Männer, die ihr zugegen seid, wenn ihr auf die von Otanes angegebene Weise verfahren wollt, so wisset, wir werden eines schmählichen Todes sterben; denn es wird irgend jemand bei dem Magier uns verraten, um für besonders Gewinn daraus zu ziehen. Ihr hättet nun zunächst euch allein mit einander beraten und sofort handeln sollen: da ihr aber der Ansicht waret, die Sache noch mehreren mitzuteilen und ihr auch mir dieselbe anvertraut habt, so wollen wir entweder heute handeln, oder es wird, das wisset, wenn der heutige Tag vorübergegangen ist, kein anderer vor mir den Verräter machen: ich werde vielmehr selbst euch anzeigen bei dem Magier."


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72.

Darauf erwiderte Otanes, als er den Darius so im Eifer sah: "Da du uns nötigst die Sache zu beschleunigen und keinen Verzug gestattest, wohlan, so gib uns selbst an, auf welche Weise wir in die königliche Burg gelangen und die Sache angreifen sollen. Denn du weißt ja wohl selbst, und wenn du es nicht gesehen, so hast du es doch gehört, daß Wachen allerorten aufgestellt sind; wie wollen wir an diesen vorbeikommen?" Darius erwiderte darauf folgendes: "Otanes, es gibt fürwahr vieles, was man durch Worte klar zu machen nicht imstande ist, wohl aber durch die That, und ebenso gibt es manches, was man wohl durch Worte darthun kann, aber es geht daraus keine herrliche That hervor. Ihr wißt aber, daß es nicht so schwer ist, vor den aufgestellten Wachen vorbeizukommen. Denn einerseits wird uns, da es unserer so viele sind, jedermann vorbeilassen, teils aus Respekt vor uns, teils aus Furcht; andererseits habe ich selbst den allerbesten Vorwand, unter dem wir eintreten, wenn ich sage, ich sei eben aus Bersten gekommen und wolle dem Könige von meinem Vater eine Meldung machen. Denn da, wo eine Lüge gesagt werden muß, soll sie auch gesagt werden: wir streben ja nach demselben Ziel, sei es, daß wir lügen oder daß wir die Wahrheit sagen: der eine lügt dann, wenn er durch seine Lüge jemand bereden und übervorteilen will, der andere spricht die Wahrheit, um durch die Wahrheit einen Vorteil zu verschaffen und mehr Vertrauen zu gewinnen. So trachten wir, wenn wir auch nicht dasselbe thun, doch nach demselben Ziel. Sollte man aber keinen Vorteil davon haben, so könnte auf gleiche Weise der, der die Wahrheit sagt, ein Lügner, und der, der lügt, wahrhaftig sein[1] . Wer nun von den Thürhütern uns gutwillig vorbeiläßt, dem soll es in Zukunft gut gehen, wer aber uns entgegenzutreten versucht, der soll da als unser Feind angesehen werden, und wir wollen sofort in das Innere dringen und zur That schreiten."



***
73.

Darauf sprach Gobryas folgendes: "Lieben Freunde! Wann wird je für uns eine schönere Gelegenheit kommen, die Herrschaft wiederzugewinnen oder, wenn wir sie nicht wieder an uns zu bringen im stande sind, zu sterben? Da doch wir, die wir Perser sind, von einem Meder, einem Magier, der noch dazu keine Ohren hat, beherrscht werden. Wer von euch bei der Krankheit des Kambyses zugegen war, der erinnert sich wohl noch ganz gut, was dieser, als er sein Leben endete, über die Perser verhängte, wenn sie es nicht versuchen würden, die Herrschaft wieder an sich zu bringen. Wir wollten das damals nicht annehmen, sondern waren der Meinung, Kambyses habe dies aus böser Absicht gesagt. Jetzt aber bin ich der Meinung, wir folgen dem Darius und trennen uns nicht anders aus dieser Zusammenkunft, als indem wir wider den Magier losgehen." Also sprach Gobryas und alle billigten es.




74.-75

Während sie aber in dieser Weise sich berieten, geschah zufällig folgendes. Die Magier, die sich mit einander ebenfalls berieten , beschlossen, den Prexaspes sich zum Freunde zu machen, weil er von Kambyses, der seinen Sohn durch einen Schuß seines Bogens getötet, so Schmähliches erlitten hatte, und weil er allein von dem Tode des Smerdis, des Sohnes des Cyrus, wußte, den er mit eigener Hand ums Leben gebracht hatte; überdem stand auch Prexaspes im höchsten Ansehen bei den Persern. Deswegen nun ließen sie ihn rufen und suchten ihn als Freund an sich zu ziehen, nachdem sie ihm die eidliche Versicherung abgenommen, daß er bei sich behalten und keinem Menschen verraten wolle den von ihnen wider die Perser verübten Betrug, wogegen sie ihm alles mögliche zu geben versprachen. Und als Prexaspes dies zu thun versprach, wie ihn die Magier beredeten, so machten sie ihm den weiteren Antrag, sie wollten von ihrer Seite aus alle Perser vor die königliche Burg versammeln, er aber solle dann auf einen Turm steigen und von da aus denselben verkünden, daß sie von Smerdis, dem Sohne des Cyrus, und keinem andern beherrscht würden. Sie erteilten ihm aber diesen Auftrag, weil sie wußten, daß er bei den Persern ein großes Vertrauen besaß und oftmals die Ansicht ausgesprochen, daß Smerdis, des Cyrus Sohn, am Leben sei, auch die Ermordung desselben geleugnet hatte.


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75.

Als nun Prexaspes seine Bereitwilligkeit dazu erklärt hatte, ließen die Magier die Perser zusammenrufen, jenen aber einen Turm besteigen, und forderten ihn dann auf, vor den Persern zu reden. Er aber gedachte absichtlich dessen gar nicht, was jene von ihm erbeten, sondern fing von Achä'menes an und zählte ihnen das Geschlecht des Cyrus auf: und zuletzt, als er auf diesen gekommen war, sprach er von allem dem Guten, das Cyrus den Persern gethan. Als er aber dies alles durchgegangen, offenbarte er ihnen die Wahrheit, wobei erklärte, früher dieselbe verborgen zu haben, weil es für ihn gefährlich gewesen, das, was vorgefallen, zusagen, indem gegenwärtigen Augenblick aber dränge ihn die Notwendigkeit, es offen heraus zu sagen. Und so erzählte er nun, wie er selbst von Kambyses genötigt worden sei, den Smerdis, den Sohn des Cyrus, ums Leben zu bringen, die Magier aber jetzt herrschten. Er sprach dann viele Verwünschungen aus gegen die Perser, wenn sie nicht die Herrschaft wieder an sich brächten und an den Magiern Rache nähmen, und stürzte dann kopfüber von dem Turme herab. Dies war das Ende des Prexaspes, der zu jeder Zeit ein achtbarer Mann gewesen war.




76.-79

Die sieben Perser nun, nachdem sie den Entschluß gefaßt, Sofort die Magier anzugreifen und keinen Aufschub zumachen, begaben sich, nach einem Gebet zu den Göttern[1] , auf den-Weg, ohne von dem, was mit Prexaspes vorgefallen war, etwas zu wissen. Und als sie eben mitten auf dem Wege waren, hörten sie den Vorfall mit Prexaspes. Da traten aus dem Wege und besprachen nochmals mit einander, indem Otanes darauf drang, die Sache zu verschieben und bei einer solchen Gärung keinen Angriff zu machen, während Darius der Meinung war, sogleich zur Ausführung des Beschlossenen zu schreiten und nichts zu verschieben. Als sie darüber mit einander stritten, erschienen sieben Paar Habichte, welche zwei Paare Geier verfolgten, ausrupften und zerfleischten[2] . Wie dies die Sieben sahen, billigten sie alle die Meinung des Darius und eilten nach der königlichen Burg, voll Vertrauen auf die Vögel.


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77.

Als sie aber an die Thore kamen, geschah das, was Darius ihnen angegeben hatte: die Wächter nämlich, aus Scheu vor diesen Männern, den ersten unter den Persern, und ohne irgend zu argwöhnen, daß diese so etwas thun würden, ließen sie, gleichsam wie durch göttliche Fügung, vorbei, ohne daß einer sie fragte. Als sie darauf in den Hof kamen, stießen sie auf die Verschnittenen, welche die Botschaften hineinbringen;[1] ; und diese richteten an sie die Frage, in welcher Absicht sie gekommen seien, bedrohten auch, während sie frugen, die Thorwächter, weil sie jene vorgelassen, und suchten die Sieben, welche weiter vorwärts in das Innere dringen wollten, zurückzuhalten. Diese aber, nachdem sie sich gegenseitig Mut zugesprochen, zogen ihre Dolche und stießen damit die, welche sie zurückhalten wollten, an eben der Stelle nieder, dann aber eilten sie im Laufe nach dem Männergemach.



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78.

Es waren aber gerade damals beide Magier im Innern zusammen und pflogen Rat über das, was Prexaspes gethan hatte. Als sie nun das Getümmel und das Geschrei der Verschnittenen wahrnahmen, sprangen sie beide auf, und wie sie erkannten, was da vorging, setzten sie zur Wehr. Der eine von ihnen nahm schnell den Bogen herab, der andere griff um Speer, und so gerieten sie mit den eingedrungenen Verschworenen in Kampf. Dem, welcher den Bogen genommen hatte, half es nichts, da die Gegner zu nahe waren und auf ihn eindrangen; der andere aber wehrte sich mit dem Speer und stieß den Aspathines in den Schenkel, wie den Intaphernes in das Auge, und derselbe verlor auch sein Auge infolge der Verwundung, jedoch starb er nicht daran. So verwundete nun der eine der Magier diese beiden; der andere der Magier aber floh, da ihm der Bogen nichts half, in das Gemach, welches an den Männersaal stieß, und als .er die Thür zumachen wollte, stürzten zwei von den Sieben, Darius und Gobryas, zugleich mit ihm in das Gemach. Wie nun Gobryas mit dem Magier rang, so stand Darius in Verlegenheit dabei, weil er besorgt war, in der Dunkelheit[2] den Gobryas zu treffen. Gobryas, der ihn müßig dastehen sah, fragte ihn, warum er denn nicht seine Hand gebrauche, "Aus Besorgnis," erwiderte Darius, "dich zu treffen." Da erwiderte Gobryas: "So stoße nur durch uns beide dein Schwert." Darius folgte ihm, zückte seinen Dolch[2] und traf glücklicherweise den Magier.



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79.

Nachdem sie nun die Magier getötet und deren Köpfe abgeschnitten hatten, ließen sie ihre beiden Verwundeten daselbst zurück, eben so sehr wegen ihrer Schwäche, als um die Burg zu bewachen; die fünf andern aber liefen mit den Köpfen der Magier nach außen unter großem Geschrei und Lärm und riefen die andern Perser herbei, denen sie den Vorfall erzählten und die Köpfe zeigten; zugleich töteten sie auch einen jeden Magier, der ihnen in den Weg kam. Wie aber die Perser das, was durch die Sieben geschehen war, erfuhren, sowie den Betrug der Magier, glaubten sie es ebenso machen zu müssen; sie zogen ihre Dolche und töteten jedweden Magier, wo sie einen fanden, und wäre nicht die Nacht darüber eingebrochen und hätte sie abgehalten, sie würden keinen Magier übriggelassen haben. Diesen Tag feiern die Perser gemeinsam[3] unter allen Tagen am meisten, und begehen an demselben ein großes Fest, welches von den Persern Magiermord genannt ist: an demselben darf kein Magier sich bei Tage sehen lassen, sondern die Magier halten sich an diesem Tage in ihren Häusern.




80.-83

Als darauf das Getümmel sich gelegt hatte und fünf Tage verflossen waren, berieten sich die, welche wider die Magier aufgestanden waren, mit einander über die gesamte Lage des Reichs und wurden dabei Reden gehalten, welche manchem Hellenen unglaublich sind, aber darum doch gehalten wurden[1.] Otanes nämlich war der Meinung, die Regierung des Reichs in die Hände aller Perser zu legen, und äußerte sich darüber also: "Ich halte es nicht für gut, daß wieder einer von uns Alleinherrscher werde: denn es ist weder angenehm, noch gut; ihr wißt ja, wie weit des Kambyses Übermut gegangen ist, und ebenso habt ihr ja auch den Übermut des Magiers empfunden. Wie aber könnte die Alleinherrschaft eine wohlgeordnete Sache sein, wo jeder thun kann, was er will, ohne alle Verantwortlichkeit?[1] Denn selbst den besten Mann von allen, wenn er in eine solche Herrschaft einträte, würde sie außerhalb des Kreises seiner gewohnten Anschauungen versetzen; denn übermut entsteht in ihm infolge der ihm zu Gebote stehenden Güter, Neid aber ist schon von Anfang an dem Menschen angeboren. Wenn einer nun diese beiden Dinge hat, so hat er damit alles Schlimme: denn teils von Übermut gesättigt, teils aus Neid verübt er mancherlei Frevel; und doch sollte ein Herrscher frei von allem Neid sein, da er ja alle Güter besitzt; so aber zeigt er gerade das Gegenteil davon gegen seine Mitbürger, denn er beneidet die Besten, weil wohl und am Leben sind, während er an den schlechtesten Bürgern sein Gefallen findet; er ist gern geneigt, Verleumdungen anzunehmen, und ist unter allen der unverträglichste: denn wenn du ihn mit Maß bewunderst, so nimmt er es übel, daß man ihn nicht mehr verehrt; verehrt ihn aber jemand allzu sehr, so nimmt er es demselben, als einem Schmeichler, übel. Das Ärgste aber ist das, was ich nun angeben will: er rüttelt an den väterlichen Einrichtungen, er thut den Frauen Gewalt an und tötet ohne Verhör und Urteil. Wenn aber das Volk herrscht, so hat dies zuvörderst den schönsten Namen von allen, die Gleichheit vor dem Gesetz[2] ; zum andern aber thut es nichts von dem, was der Alleinherrscher thut: es besetzt die Ämter durchs Los[3] , und jedes Amt ist zur Rechenschaft verpflichtet; alle Entschließungen aber überläßt es der Gemeinde[4] . Darum gebe ich nun meine Meinung dahin ab, wir wollen die Alleinherrschaft aufgeben und dem Volk alle Macht überlassen: denn in dem Volke ist alles enthalten."


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81.

Diese Meinung trug Otanes vor; Megabyzug dagegen wollte die Regierung einer kleinen Zahl überlassen und sprach sich darüber also aus: Was Otanes gesagt hat, um die Alleinherrschaft zu beseitigen, das soll auch von mir gesagt sein; wenn er aber die Macht auf das gesamte Volk übertragen will, so hat er damit das, was am rätlichsten erscheint, verfehlt: denn es gibt nichts Unverständigeres und Übermütigeres, als ein großer Haufe, der zu nichts nütze ist; und unerträglich für uns wäre es in der That, wenn wir, dem Übermut eines Alleinherrschers entgangen, in den Übermut eines zügellosen Volkes gerieten. Denn wenn jener etwas thut, so thut er es mit Verstand, in der Masse des Volkes aber ist gar kein Verstand. Denn wie kann man Einsicht bei dem erwarten, der weder eine Unterweisung erhalten, noch überhaupt das kennt, was schön ist und sich gehört, sondern sich auf die Geschäfte stürzt ohne Verstand, gleich einem reißenden Bergstrom? Die Volksherrschaft also sollen die nehmen, die es übel mit den Persern meinen; wir aber wollen einige der besten Männer in einen Ausschuß wählen und diesen die Macht übertragen, denn unter diesen werden wir ja auch selbst enthalten sein. Die besten Männer aber werden natürlich auch die besten Ratschläge erteilen."



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82.

Das also war der Vorschlag des Megabyzus. Zum dritten legte Darius seine Ansicht dar in folgenden Worten: "Mir scheint es, Megabyzus hat vollkommen Recht in dem, was er in bezug auf die Masse des Volks gesagt hat, aber Unrecht in bezug auf die Herr- schaft einiger wenigen. Denn unter den drei Formen der Regierung, welche uns hier vorliegen, selbst wenn jede in größter Vortrefflichkeit angenommen wird, eine vorzügliche Volksregierung oder ebensolche Herrschaft von wenigen oder Alleinherrschaft, glaube ich immerhin, daß das letzte bei weitem den Vorzug verdient. Denn offenbar kann doch nichts besser sein, als wenn einer, der der beste ist, herrscht; denn, mit einer solchen Gesinnung begabt, wird er über die Massen des Volkes tadellos walten, während seine Ratschlüsse wider feindselig gesinnte Männer so am besten verschwiegen bleiben. Bei einer Herrschaft von wenigen aber pflegt bei vielen, die um das Gemeinwohl sich Verdienste erwerben, doch im Privatleben starke Feindschaft zu entstehen. Denn da jeder einzelne der erste sein und mit seiner Ansicht durchdringen will, so geraten sie leicht in große Feindschaft miteinander; daraus entstehen Parteiungen, und aus den Parteiungen kommt Blutvergießen, aus dem Blutvergießen aber kommt es zur Alleinherrschaft, und dann eben zeigt es sich, um wie viel besser dieselbe ist. Hinwiederum wenn das Volk herrscht, so ist es gar nicht anders möglich, als daß Schlechtigkeit aufkommt; ist nun Schlechtigkeit in die öffentlichen Angelegenheiten gedrungen, so entsteht allerdings keine Feindschaft unter den Schlechten, wohl aber feste Freundschaften: denn die, welche es auf das Verderben des Ganzen absehen, stecken die Köpfe zusammen und handeln gemeinsam. Dies geht dann in der Weise fort, bis einer an die Spitze des Volkes sich stellt und dem Treiben solcher Menschen ein Ende macht. Darum wird nun eben dieser vom Volke bewundert, und infolge dieser Bewunderung tritt er bald als Alleinherrscher auf. Und so zeigt sich auch darin, daß die All einherrschaft am besten ist. Soll ich aber alles in einem Worte zusammenfassen, so frage ich: Woher ist denn uns die Freiheit gekommen und wer hat sie uns gegebene Ist sie vom Volke. oder von einer Herrschaft weniger oder von einem Alleinherrscher gekommene Demnach bin ich der Meinung, wir, die wir durch einen Mann[1] frei geworden sind halten uns auch daran, und außerdem schaffen wir nicht ab die Bräuche unserer Väter, welche gut sind; denn das wäre nicht gut."



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83.

Diese drei Meinungen also lagen vor; der letzteren jedoch traten die vier andern von den Sieben bei. Als aber Otanes, welcher eine Gleichheit bei den Persern einzuführen wünschte, sah, daß er mit seiner Meinung unterlegen, erhob er sich und sprach zu ihnen folgendes: ; "Ihr Männer, die ihr mit mir euch verschworen! Es ist ja nun klar, daß einer von uns König werden muß, mag er nun durch das Los dazu bestimmt sein, oder so, daß wir es dem Volke der Perser überlassen, wen es wählen will, oder auf irgend eine andere Weise; ich will darüber nun mit euch nicht streiten, denn ich will weder herrschen, noch beherrscht werden; aber unter der Bedingung stehe ich von der Herrschaft ab, daß ich keinem von euch unterthänig werde, weder ich selbst noch alle meine Nachkommen." Als er dies gesagt hatte und die Sechs diese Bedingung ihm zugestanden, so ließ er sich nicht weiter mit ihnen ein, sondern trat aus ihrem Kreise. Und so ist auch jetzt dieses Haus das einzige in Persien, welches frei ist und nur insoweit unterthänig der Herrschaft, als es selbst will, insofern es die Gesetze der Perser nicht übertritt.




84.-87

Die übrigen von den Sieben hielten nun Rat miteinander, wie sie auf die gerechteste Weise einen König einsetzen möchten: und sie beschlossen, wenn das Königtum an einen andern von den Sieben kommen sollte, so sollte Otanes und seine Nachkommen auf alle Zeiten alljährlich als Auszeichnung ein medisches Kleid[1] bekommen und jedes sonstige Geschenk, welches bei den Persern am meisten in Ehren steht. Darum aber beschlossen sie ihm diese Geschenke zu erteilen, weil er zuerst die Sache in Beratung genommen und sie zusammengebracht. Dies war nun etwas Besonderes für den Otanes, gemeinsam aber machten sie untereinander aus, daß ein jeder vonden Sieben, wenn er wolle, eintreten könne in die königliche Burg ohne Anmeldung, außer wenn etwa der König mit einem Weibe zusammenliege, auch solle es dem Könige nicht erlaubt sein, seine Frauen anderswoher zu nehmen, als aus den Familien der Mitverschworenen[2] 2 . Hinsichtlich des Königtums aber bestimmten folgendes: wessen Pferd bei Aufgang der Sonne zuerst wiehere, wenn sie in der Vorstadt aufgesessen, der solle das Königtum erhalten[1] .


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85.

Darius hatte nun einen Stallmeister, der ein kluger Mann war, mit Namen H bares: zu diesem Manne sprach Darius, als sie auseinander gegangen waren, folgendes: "Öbares, wir haben beschlossen, hinsichtlich des Königtums inder Weise zu verfahren: wenn wir aufgesessen sind, so soll derjenige, dessen Pferd zugleich mit dem Aufgang der Sonne zuerst wiehert, das Königtum erhalten. Jetzt nun, wenn du irgend ein kluges Mittel kennst, so richte es ein, daß wir diese Würde erhalten und kein anderer." Worauf Öbares in folgender Weise erwiderte: "O Gebieter, wenn es wirklich davon abhängt, daß du König bist oder nicht, so kannst du deswegen ruhig sein und gutes Mutes, es wird kein anderer statt deiner König werden; ich habe schon solche Mittel." Wenn du also,"sprach darauf Darius, "ein solches Mittel hast, so ist es Zeit, es herzurichten ohne allen Aufschub; denn am kommenden Tage treten wir in den Wettkampf ein." Als dies Öbares hörte, veranstaltet er folgendes: wie es Nacht wurde, ließ er eine von den Stuten, welche des Darius Hengst am meisten liebte, in die Vorstadt bringen und anbinden und darauf den Hengst des Darius herbeiführen; Zuerst führte er ihn mehrmals herum, nahe an der Stute, und näherte ihn derselben; zuletzt aber ließ er ihn die Stute bespringen.



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86.

Sowie der Tag anbrach, erschienen die Sechs, der Verabredung gemäß, auf ihren Rossen; und als herausritten durch die Vorstadt und an der Stelle waren, wo in der vorhergehenden Nacht die Stute angebunden war, da rannte der Hengst des Darius herzu und wieherte; und während er dies that, kam zugleich aus heiterem Himmel Blitz und Donner. Diese Zeichen, welche dem Darius noch weiter hinzukamen, gaben zu seinen Gunsten die Entscheidung, da sie wie verabredetermaßen geschehen waren; die andern sprangen von ihren Pferden und warfen sich vor Darius, als ihrem Könige, nieder.



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87.

Auf diese Weise soll es, nach der Aussage der einen, Öbares eingerichtet haben; nach anderen aber — denn es wird auf zwiefache Weise die Sache von den Persern erzählt — hätte er die Geschlechtsteile dieser Stute mit der Hand berührt und dann die Hand in seinen Hosen verborgen gehalten; wie nun mit Sonnenaufgang die Pferde abgehen sollten, so habe dieser Öbares die Hand herausgenommen und an die Nüstern des Hengstes des Darius gehalten, worauf dieser über dem Geruch aufgeschnaubt und gewiehert.




88.

So war nun Darius, der Sohn des Hystaspes, zum König erklärt, und waren ihm, außer den Arabern. alle Völker in Asien unterthan, wie sie durch Cyrus und später wieder durch Kambyses unterjocht worden waren; vie Araber nämlich waren in keiner Weise den Persern zur Knechtschaft unterthan, sondern waren Gastfreunde, welche den Kambyses wider Ägypten hatten durchziehen lassen[1] : denn gegen den Willen der Araber hätten die Perser nicht in Ägypten einfallen können. Darius nun nahm zuvörderst zwei persische Frauen, die beiden Töchter des Cyrus, Atossa und Artystone; jene war schon mit Kambyses, ihrem Bruder, und dann wieder mit dem Magier ehelich verbunden gewesen[2] , diese, die Artystone, war noch eine Jungfrau; weiter nahm er dann zum Weibe eine Tochter des Smerdis, des Sohnes des Cyrus, mit Namen Parmys; und außerdem hatte er noch die Tochter des Otanes, welche den Magier verraten hatte[1] . Und so war alles von seiner Macht erfüllt. Zuerst ließ er nun in Stein ein Bild machen[2] , worauf ein Reiter dargestellt war, und folgende Inschrift beifügen: "Darius, des Hystaspes Sohn, hat ebensosehr durch die Tüchtigkeit seines Rosses"(dessen Name dabei stand), "wie des Öbares, seines Stallmeisters, das Königreich der Perser erworben."



89.-94

Nachdem er dies im Perserlande 3 gethan hatte, bestimmte er zwanzig Statthalterschaften, welche die Perser selbst Satrapieen nennen[1] ; und als er die Statthalterschaften bestimmt und Statthalter über dieselben gesetzt hatte, so ordnete er den Tribut an, der ihm von jedem Volke eingehen sollte, wobei er die angrenzenden manchmal zu einem andern Volke schlug, dann aber auch die nächstgelegenen überging und die entfernteren bald diesem, bald jenem Volke zuteilte 2 . Die Statthalterschaften aber und den jährlichen Tribut verteilte er auf folgende Weise: denjenigen von ihnen, welche Silber zu entrichten hatten, war aufgegeben, das Talent nach babylonischem Gewicht zu entrichten, denjenigen aber, welche Gold zu entrichten hatten, nach euböischem Gewicht: es beträgt aber ein babylonisches Talent siebzig euböische Minen[1] . Unter des Cyrus Herrschaft nämlich, wie auch noch unter Kambyses, war hinsichtlich des Tributes nichts bestimmt, sondern sie brachten Geschenke[2] . Wegen dieser Anordnung des Tributs und wegen anderer diesem ähnlichen Dinge sagen die Perser, Darius wäre ein Krämer gewesen, Kambyses ein Gebieter und Cyrus ein Vater: Darius, insofern er bei allem wie ein Kaufmann handelte, Kambyses, weil er hart war und sich um nichts kümmerte, Cyrus aber, weil er mild war und ihnen alles Gute zuwendete.


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90.

Von den Ioniern nun und den in Asien wohnenden Magneten, den Äoliern, Kariern, Lyciern, Milyeern und Pamphyliern, welchen zusammen ein Tribut auferlegt war, gingen ein vierhundert Talente Silbers; es war dies der erste Distrikt, welchen er festsetzte[3] . Von den Mysern, Lydern, Lasoniern, Kabaliern und Hygenneern kamen fünfhundert Talente ein: es war dies der zweite Distrikt[4] . Von den Hellespontern, welche auf der rechten Seite[5] bei der Einfahrt wohnen, von den Phrygiern und asiatischen Thraeiern[1] , den Paphlagoniern, Mariandynen und Syrern[2] betrug der Tribut dreihundertsechzig Talente: es war dies der dritte Distrikt. Von den Ciliciern kamen dreihundertsechzig weiße Rosse, so daß auf jeden Tag eins kam, und fünfhundert Talente Silber: von diesen wurden hundert und vierzig auf die Reiterei verwendet, welche im cilicischen Lande Wache hielt[3] ; die übrigen dreihundert sechzig fielen an den Darius; dies war der vierte Distrikt[4] .



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91.

Von der Stadt Posideum[5] , welche Amphilochus, der Sohn des Amphiaraus, gründete an den Grenzen Ciliciens und Syriens, von dieser Stadt an bis nach Ägypten, mit Ausnahme des Anteils der Araber 6 , der frei war von aller Steuer, betrug der Tribut dreihundert fünfzig Talente; es ist aber in diesem Distrikt ganz Phönicien, das sogenannte Palästinensische Syrien und Cypern inbegriffen; es ist dies der fünfte[7] . Von Ägypten und den an Ägypten stoßenden Libyern, wie von Kyrene und Barke, welche zu dem ägyptischen Distrikt geschlagen waren[8] , gingen siebenhundert Talente ein, ohne das vom See Möris eingehende Silber, das von den Fischen einkam[9] . Außer diesem Silber nun und außer der (für die Soldaten) bestimmten Frucht gingen siebenhundert Talente ein; den Persern nämlich, welche in der weißen Burg zu Memphis[1] liegen, und den Hilfstruppen derselben sind hundertzwanzigtausend Rationen Frucht angewiesen. Dies ist der sechste Distrikt[2] . Die Sattagyden und Gandarier[3] , wie die Dadiken und Aparyten, welche zusammengeworfen waren, steuerten hundert und siebzig Talente 3 : dies ist der siebente Distrikt. Von Susa und dem übrigen Lande der Kissier, welches den achten Distrikt bildete[4] , gingen dreihundert Talente ein.



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92.

Von Babylon aber und dem übrigen Assyrien liefen ein tausend Talente Silbers[5] und fünfhundert verschnittene Knaben[6] : dies war der neunte Distrikt. Von Agbatana und dem übrigen Medien[7] , von den Parikaniern und Orthokorybantiern kamen vierhundertfünfzig Talente 8 : es war dies der zehnte Distrikt. Die Kaspier und Pausiken, die Pantimather und Dariten[8] warfen ihren Tribut zusammen und brachten zweihundert Talente ein: dies war der elfte Distrikt. Von den Baktrianen bis zu den Aiglern betrug der Tribut dreihundertsechzig Talente: es war dies der zwölfte Distrikt.[1]



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93.

Von der Landschaft Paktyika und den Armeniern[2] , sowie von den daran stoßenden Völkerschaften bis zu dem Pontus Euxinus gingen vierhundert Talente ein: es war dies der dreizehnte Distrikt. Von den Sagartiern und Sarangen, den Thamanäern, Utiern, Mykern und den Bewohnern der Inseln, welche in dem Roten Meere liegen, wo der König die Landesverwiesenen ansiedelt, von allen diesen betrug der Tribut sechshundert Talente: es ist dies der vierzehnte Distrikt[3] . Die Saken[4] und Kaspier brachten zweihundertfünfzig Talente ein: es ist dies der fünfzehnte Distrikt. Die Parther, Chorasmier, Sogder und Arier lieferten dreihundert Talente: dies war der sechzehnte Distrikt.[1]



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94.

Die Paritanier, und die asiatischen Äthiopier[2] steuerten vierhundert Talente: dies war der siebzehnte Distrikt. Den Matienern, Saspiren[3] und Alarodiern waren zweihundert Talente auferlegt: dies war der achtzehnte Distrikt. Den Mo'schen, Tibarenern, Makronen, Mossynöken und Maren[4] waren dreihundert Talente aufgegeben: dies warder neunzehnte Distrikt. Die Inder aber[5] , welche bei weitem das zahlreichste Volk sind unter allen, die wir kennen, entrichteten einen Tribut von dreihundertsechzig Talenten Goldsand, mehr als alle andern: dies war der zwanzigste Distrikt.




95.-96

Wenn man nun das babylonische Silber in das euböische Talent umsetzt, so kommen neuntausendfünfhundertvierzig Talente heraus: rechnet man das Gold in dem dreizehnfachen Betrag, so findet man, daß der Goldsand[6] viertausendsechshundert und achtzig euböische Talente beträgt. Das alles nun zusammengerechnet, kommt heraus für den Darius als jährlicher Tribut der Betrag von vierzehntausend fünfhundert und sechzig euböischen Talenten[1] : wobei ich absehe von weiter dazu kommenden geringeren Summen[2] und diese nicht anführe.


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96.

Dieser Tribut ging dem Darius von Asien und einigen kleinen Strichen Libyens ein; im Laufe der Zeit jedoch ging ihm noch weiterer Tribut ein von den Inseln[3] , sowie von den in Europa bis nach Thessalien hin wohnenden Völkern. Diesen Tribut bewahrt der König auf folgende Weise: erläßt alles schmelzen und in irdene Fässer gießen; wenn dann das Gefäß voll ist, so nimmt er den irdenen Umschlag weg und schlägt, wenn er Geld braucht, so viel davon ab, als er jedesmal nötig hat[4] .




97.-113

Das waren nun die Statthalterschaften und der denselben auferlegte Tribut; das persische Land[1] ist allein von mir unter den tributpflichtigen Ländern nicht angegeben, weil die Perser ein steuerfreies Land bewohnen. Auch den folgenden Völkerschaften war kein Tribut entrichten auferlegt, sondern brachten Geschenke[2] : die an Ägypten angrenzenden Äthiopier, welche Kambyses auf seinem Zuge gegen die Makro bier unterworfen hatte[3] , die um die heilige Nysa[4] wohnen und dem Dionysus Feste feiern. Die Äthiopier sowie die ihnen Anwohnenden haben denselben Samen, wie die Kalantischen Inder 5 , und leben in Wohnungen unter der Erde[6] . Beide brachten zusammen alle drei Jahre ihre Geschenke und bringen auch bis auf meine Zeit zwei Chöniken (2, 191.) ungeläuterten Goldes[7] , zweihundert Stämme Ebenholz, fünf äthiopische Knaben und zwanzig große Elefantenzähne. Die Kolcher aber hatten sich selbst mit einem Geschenke besteuert, ebenso die daran stoßenden Völker bis zum Kaukasischen Gebirge; denn bis zu diesem Gebirge reicht die Herrschaft der Perser; was aber nördlich vom Kaukasus liegt, kümmert sich nicht mehr um die Perser. Diese Gaben nun, welche sie sich auferlegt hatten, brachten sie auch noch bis auf meine Zeit alle fünf Jahre: hundert Knaben und hundert Jungfrauen[8] ; die Araber[9] dagegen brachten jedes Jahr tausend Talente (ca. 26000 kg) Weihrauch. Außer dem Tribut[1] nun brachten diese Völker diese Geschenke dem König.



98.-101

Das viele Gold aber, von welchem die Inder[2] dem Könige den angegebenen Betrag von Goldsand bringen[3] , verschaffen sie sich auf folgende Weise. Alles Land von Indien, was nach Sonnenaufgang sich erstreckt, ist Sand; denn unter den in Asien wohnenden Menschen, die wir kennen und über die etwas Bestimmtes sich angeben läßt, sind die Inder die ersten, welche nach Osten und Sonnenaufgang zu wohnen. Denn was ostwärts von Indien liegt, ist eine Wüste wegen des Sandes[4] . Es gibt aber viele Völker in Indien, und sie reden auch nicht dieselbe Sprache unter einander; einige von ihnen sind Nomaden, andere nicht, andere wohnen in den Sümpfen des Flusses und essen rohe Fische, welche sie fangen aus ihren Kähnen von Rohr; aus einem jeden Absatz des Rohres[5] wird aber ein Kahn verfertigt. Diese Inder nun tragen eine Kleidung von Binsen: wenn sie aus dem Fluß die Binsen geschnitten und geklopft haben, so flechten sie dann dieselben nach Art einer Matte und ziehen es wie einen Harnisch an.


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99.

Andere von den Indern, welche nach Osten zu wohnen, sind Nomaden, essen rohes Fleisch und heißen Padäer[1] ; sie sollen folgende Gebräuche haben: Wenn einer von ihren Mitbürgern erkrankt, es sei eine Frau oder ein Mann, so töten den Mann die Männer, die zunächst mit ihm verkehren, indem sie behaupten, durch die Krankheit zehre er ab und sein Fleisch würde ihnen verdorben; leugnet er auch noch so sehr, daß er krank sei, man gibt es nicht zu, erschlägt ihn und verschmaust ihn dann[2] . Ist aber eine Frau erkrankt, so machen es die Frauen, die zunächst mit ihr verkehren, ebenso wie die Männer. Denn jeden, der alt geworden ist, schlachten sie ab und verschmausen ihn. Dazu kommen aber nur wenige von ihnen, weil man schon vorher einen jeden, der in eine Krankheit fällt, umbringt.



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100.

Andere Inder wieder haben die Sitte, daß sie nichts Lebendiges töten, daß sie nicht säen und auch keine Wohnungen besitzen: sie essen Grünes, und wächst bei ihnen ein solches, etwa von der Größe einer Hirse, in einer Schote, ganz von selbst aus der Erde; dasselbige sammeln sie, kochen es mitsamt der Schote und verzehren es. Wer von ihnen in eine Krankheit gefallen ist, eilt in die Wüste und legt sich nieder, es kümmert aber Niemand um ihn, ob er tot ist oder krank.



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101.

Die Begattung aller der Inder, die ich aufgezählt habe, geschieht ganz öffentlich, wie bei dem Kleinvieh; alle haben die gleiche, den Äthiopiern ähnliche Farbe. Der Same von ihnen, den sie den Weibern mitteilen, ist nicht, wie bei den übrigen Menschen, weiß, sondern schwarz, wie ihre Hautfarbe. Auch der Same, den die Äthiopier von sich geben, ist von gleicher Farbe. Diese Inder wohnen noch weiter weg von den Persern, und zwar nach Süden zu; auch waren sie niemals dem König Darius unterthan.




102.-105

Andere von den Indern, welche benachbart sind der Stadt Kaspatyrus[1] und der Landschaft Paktyika, wohnen nach Mitternacht zu, nordwärts von den übrigen Indern; sie führen eine den Baktrianen ähnliche Lebensweise und sind die streitbarsten unter den Indern, auch sind sie es, die nach dem Golde entsendet werden: denn in dieser Gegend ist es wüste, wegen des Sandes. In dieser Wüste[2] nun und in dem Sande gibt es Ameisen, welche kleiner sind als Hunde, aber größer als Füchse; einige derselben, die hier gefangen worden sind, befinden sich auch bei dem König der Perser[3] . Diese Ameisen nun werfen bei dem Bau ihrer unterirdischen Wohnung den Sand herauf, gerade wie die Ameisen bei den Helle nen, und auf dieselbe Weise, auch sind sie ihnen an Gestalt sehr ähnlich. Der aufgeworfene Sand aber ist goldhaltig. Nach diesem Sand ziehen die Inder in die Wüste, und spannt ein jeder drei Kamele zusammen, ein Männchen von beiden Seiten, zum Sieben wie Handpferde, und in die Mitte von beiden ein Weibchen: auf diesem reitet er selbst, und er gibt sich Mühe, ein solches zu bekommen, das er eben von ihren noch ganz jungen Füllen weggenommen hat. Denn ihre Kamele geben hinsichtlich der Schnelligkeit den Pferden nichts nach, außerdem aber sind sie weit besser im stande Lasten zu tragen.


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103.

Welche Gestalt nun das Kamel hat, brauche ich wohl den Hellenen, die solches wissen[1] , nicht anzugeben; ich will deshalb lieber das von ihm angeben, was sie nicht wissen. Das Kamel hat an seinen Hinterbeinen vier Schenkel und vier Kniee, seine Geschlechts, teile sind mitten durch die Hinterbeine nachdem Schwanze zu gekehrt[2] .



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104.

Auf solche Weise also und mit einem solchen Gespann ziehen die Inder nach dem Golde, wobei sie die Vorsicht anwenden, daß sie, wenn die Hitze am stärksten ist, auf dem Raub befinden; denn die Ameisen kriechen dann vor der Hitze unter die Erde und sind nicht sichtbar. Die Sonne ist aber bei diesen Menschen morgens am heißesten, nicht wie bei den andern mittags, sondern von der Zeit an, wo sie steigt, bis zu der Zeit, wo man vom Markte nach gase geht[3] . Während dieser Zeit brennt die Sonne dort noch wiet mehr, als am Mittag in Hellas, so daß sie dann, wie man sagt, im Wasser aufhalten. Wenn es aber Mittag ist, so brennt sie fast auf gleiche Weise alle andern Menschen wie die Inder; neigt dann die Mittagssonne abwärts, so wird es gerade so, wie bei den andern am Morgen, und von da an weiter wird es immer kühler, bis zum Sonnenuntergang, wo es dann sehr kühl ist.



***
105.

Wenn aber die Inder an die Stelle gekommen sind, so füllen die ledernen Säcke, die sie bei sich haben, mit Sand und ziehen dann schleunigst wieder zurück. Denn die Ameisen, wie nämlich von den Persern behauptet wird, merken es am Geruch und verfolgen sie. Es soll aber dies Tier an Schnelligkeit alle andern übertreffen, so daß, wenn die Inder nicht im Wege einen Vorsprung gewonnen hätten, während der Zeit, wo die Ameisen sich sammeln, keiner von ihnen sich retten würde. Die Männchen der Kamele, welche nicht so gut laufen wie die Weibchen, werden, wie man sagt, wohl auch losgelassen von weiterem Mitschleppen, freilich nicht beide zugleich, die Weibchen aber, die an ihre zurückgelassenen Jungen denken, lassen durchaus nicht nach. Also verschaffen die Inder das meiste Gold; anderes wird in ihrem Lande gegraben, aber weit seltener.




106.

So ist den äußersten Teilen der bewohnten Erde das Schönste zu teil geworden, gerade wie auch Hellas bei weitem die schönste Mischung der Jahreszeiten zu teil geworden ist. Gegen Osten nämlich ist Indien das äußerste unter den bewohnten Ländern, wie ich kurz zuvor bemerkt habe 1 ; in diesem Lande nun sind alle lebendigen Geschöpfe, die vierfüßigen wie die geflügelten, um vieles größer als an den übrigen Orten, mit Ausnahme der Pferde[2] , welche darin den medischen, welche man die nisäischen nennt[3] , nachstehen. Dann aber gibt es dort unendlich viel Gold, das teils gegraben, teils von den Flüssen herabgeschwemmt, teils, wie ich angegeben habe, geraubt wird 4. Auch die wilden Bäume tragen dort als Frncht Wolle[1] , welche an Schönheit und Güte den Vorzug verdient vor der Schafwolle. Von diesen Bäumen verfertigen sich die Inder Kleider.



107.-113

Nach Mittag zu ist aber Arabien der äußerste unter den bewohnten Landstrichen: in diesem allein unter allen Ländern wächst Weihrauch, Myrrhen[2] und Kasia, Cinnamomum und Ledanum; alles dies, mit Ausnahme der Myrrhe, verschaffen sich die Araber nicht so leicht. Den Weihrauch nämlich sammeln sie, indem sie Storax anzünden, denselben, den die Phönicier[3] nach Griechenland ausführen: diesen zünden an und erhalten so den Weihrauch; denn die den Weihrauch tragenden Bäume bewachen geflügelte Schlangen[4] , welche von Gestalt klein sind und von bunter Farbe, sehr viele um jeden Baum; es sind dieselben, welche gegen Ägypten zu Felde ziehen; diese lassen sich nun durch nichts anderes von den Bäumen vertreiben. als durch den Rauch des Storax.


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108.

Auch erzählen die Araber folgendes: die ganze Erde würde mit diesen Schlangen angefüllt sein, wenn es nicht mit ihnen ebenso ginge, wie es, soweit ich weiß, mit den Nattern geht. Und läßt sich darin wohl, wie man dies auch sieht, die göttliche Vorsehung[5] erkennen, welche in ihrer Weisheit alle die Tiere, welche furchtsam sind und genießbar, sehr fruchtbar geschaffen hat, damit es an ihnen nicht fehle zum Essen, dagegen alle die Tiere, welche furchtbar sind an Kraft und schädlich, wenig fruchtbar. So z. B. auf der einen Seite ist der Hase, der von jedem Tiere, von Vogel und Menschen erjagt wird, ein wirklich so fruchtbares Tier, daß er allein unter allen Tieren nachempfängt; so ist von den Jungen in Seinem Leibe ein Teil schon mit Haaren versehen, ein anderes noch ganz bloß, ein anderes bildet sich eben erst in der Gebärmutter und ein anderes empfängt er erst. Damit also verhält es so; auf der andern Seite bringt die Löwin, die doch eines der stärksten und verwegensten Tiere ist, nur einmal im Leben ein Junges zur Welt[1] : denn wenn sie ein Junges zur Welt bringt, so geht mit dem Jungen zugleich auch die Gebärmutter fort. Die Ursache davon ist folgende. Wenn das Junge, das im Mutterleibe ist, anfängt sich zu bewegen, so zerfleischt es, weil es bei weitem die schärfsten Klauen hat unter allen Tieren, die Gebärmutter, und wenn es dann wächst, so geht es damit immer weiter, bis zuletzt, wenn die Geburt nahe ist, gar nichts Gesundes, auch nicht an einem Teile nur, übrig ist.



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109.

Ebenso auch verhält es sich mit den Nattern und den geflügelten Schlangen in Arabien; wären diese wirklich so, wie es ihre natürliche Beschaffenheit mit sich bringt, so würden die Menschen nicht leben können. So aber erfaßt das Weibchen, wenn sie sich paarweise begatten und das Männchen in der Zeugung begriffen ist, den Hals desselben, wie es den Samen von sich entsendet, beißt sich in denselben ein und läßt nicht eher ab, als bis es ihn durchgebissen hat. Das Männchen nun stirbt auf die angegebene Weise; das Weibchen aber muß dafür auf folgende Weise büßen: die Jungen, die noch in dem Leibe sind, zerfressen, um den Vater zu rächen, die Gebärmutter, und wenn sie den Leib der Mutter durchgebissen, verschaffen sie sich so den Ausgang. Die übrigen Schlangen, welche den Menschen nicht schädlich sind, legen Eier und brüten eine große Anzahl von Jungen aus. Die Nattern nun sind über die ganze Erde verbreitet, die Schlangen aber, obgleich sie geflügelt sind, sind beisammen in Arabien und finden sich sonst nirgends: deshalb scheint es, als wären es ihrer so viele.



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110.

Den Weihrauch nun verschaffen sich die Araber also die Kasia[1] dagegen auf folgende Weise: sie umwickeln sich den ganzen Leib und das Gesicht, mit einziger Ausnahme der Augen, mit Häuten und anderen Fellen und dann gehen sie nach der Kasia. Diese wächst in einem nicht tiefen See; um denselben aber und in demselben halten sich wohl geflügelte Tiere[2] auf, welche den Fledermäusen ganz ähnlich sind und arg zwitschern, auch tapfer sich zum Wehr setzen; diese suchen sie nun von den Augen sich fern zu halten, und so schneiden sie die Kasia ab.



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111.

Das Cinnamomum aber sammeln sie auf eine Weise, die noch mehr Verwunderung erregt; denn wo es entsteht und was es für ein Land ist, in dem es wächst, wissen sie nicht anzugeben, nur soviel geben sie mit einiger Wahrscheinlichkeit an, daß es in denjenigen Gegenden wächst, in welchen Dionysus aufgezogen ward[3] . Sie erzählen nämlich, große Vögel trügen diese Reiser, welche wir von den Phöniciern kennen gelernt haben und Cinnamomum nennen, und brächten dieselben in ihre Nester, welche aus Kot an abschüssigen Bergen gebaut sind, wo keinem Menschen ein Zutritt möglich ist. Dagegen nun hätten die Araber folgendes Mittel ersonnen: gefallene Rinder und Esel, sowie anderes Vieh, zerschneiden sie in recht große Stücke, welche sie nach diesen Gegenden bringen und hier nahe an die Nester legen, worauf sie sich von denselben entfernen; die Vögel fliegen dann herab und tragen die Stücke des Viehes auf ihre Nester hinauf, welche, da sie die Last nicht halten können, brechen und auf die Erde herabfallen, worauf sie herzutreten und es sammeln. Auf diese Weise gesammelt gelangt dann das Cinnamomum nach den andern Ländern.



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112.

Ledanum 1 , welches die Araber Ladanum nennen, entsteht auf eine noch wunderbarere Weise; es wächst nämlich an einem der übelriechendsten Orte und ist doch das wohlriechendste. Man findet es in dem Barte der Ziegenböcke angeklebt, gleichwie Harz, von dem Gesträuch. Es ist nützlich zu den meisten Salben, und räuchern die Araber damit am meisten.



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113.

So viel soll über das Räucherwerk gesagt sein; es duftet aber aus dem arabischen Lande ganz herrlich. Auch gibt es dort zwei Gattungen von Schafen[2] , welche der Bewunderung wert sind und nirgends sonst vorkommen: die eine der selben hat lange Schwänze, nicht geringer als drei Ellen [1,387 m wollte man sie nun dieselben nachschleppen lassen, so würden sie Wunden bekommen, da die Schwänze sich an der Erde aufreiben; so aber versteht jeder von den Hirten so weit auf die Holzarbeit, daß er Wägelchen verfertigt und diese unter die Schwänze befestigt, indem erden Schwanz eines jeden Tieres an ein solches Wägelchen bindet. Die andere Gattung Schafe trägt breite Schwänze, etwa von der Breite einer Elle [0,462 m].




114

Nach Mittag zu bis gegen die untergehende Sonne zieht sich das äthiopische Land hin, das äußerste der bewohnten Erde; es bringt viel Gold hervor, gewaltige Elefanten, allerlei wilde Bäume, Ebenholz und die größten, schönsten und am längsten lebenden Menschen[3] .



115.-116

Dieses sind also nun die äußersten Punkte in Asien, wie in Lybien; über die äußersten Punkte Europa's nach Abend zu weiß ich nichts Bestimmtes anzugeben[4] : Senn ich kann nicht glauben an einen Strom, der von den Barbaren[1] Eridanus[2] genannt werde und sich in das nordwärts zu fließende Meer ergießen soll, von woher, wie man sagt, der Bernstein kommt; ebensowenig weiß ich etwas von den Kassiteridischen Inseln, von welchen uns das Zinn zukommt[3] . Denn einerseits ist Eridanus, wie schon der Name selbst andeutet, ein hellenisches und kein fremdländisches Wort, sondern von irgend einem Dichter gebildet, und andererseits konnte ich von keinem Augenzeugen, so sehr es mir auch angelegen war, etwas hören, daß über Europa hinaus ein Meer sei. Jedenfalls aber kommt das Zinn und der Bernstein aus dem äußersten Norden Europa's uns zu.


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116.

Nach dem Norden von Europa 1 zu findet sich offenbar das meiste Gold: wie es aber entsteht, darüber weiß ich ebenfalls keine bestimmte Auskunft zu geben; man sagt zwar, daß die Arimaspen[2] , einäugige Männer, es raubten von den Greifen. Aber auch dies kann ich nicht glauben, daß es Menschen giebt mit einem Auge, während in allein andern von Natur ebenso beschaffen sind, wie die übrigen Menschen. So ist demnach anzunehmen, daß die Endpunkte der Erde, welche alles andere Land umschließen und in fassen, das besitzen, was das Schönste wie das Seltenste uns zu sein scheint.




117.

Es ist in Asien eine von allen Seiten von einem Gebirg umschlossene Ebene, und hat das Gebirge fünf Spalten[3] . Diese Ebene gehörte einst den Chorasmiern, wie sie denn auch innerhalb der Grenzen der Chorasmier selbst, wie der Hyrkanier, Parther, Sarangen und Thamanäer liegt[4] ; seit aber die Perser die Herrschaft haben, gehört sie dem Könige. Aus dem Gebirge nun, das dieselbe Ebene rings umschließt, fließt ein großer Fluß mit Namen Akes[5] . Dieser bewässerte früher, fünffach geteilt, die Länder der eben genannten Völker, indem er durch jede Schlucht zu jedem Volke geleitet ward. Seit sie aber unter den Persern stehen, ist es ihnen also ergangen: Der König ließ die Schluchten des Gebirges zubauen und setzte an jede Schlucht Thore[1] . Da aber dadurch dem Wasser der Ablauf versperrt ist, so wird die Ebene, welche innerhalb der Gebirge ist, ein Meer, indem der Fluß sein Wasser dahin ergießt, weil er nach keiner Seite hin einen Ausgang hat. Diejenigen nun, welche früher das Wasser zu benutzen gewohnt waren und jetzt es nicht mehr benutzen konnten, befinden sich daher fortwährend in einer großen Not; den Winter hindurch zwar sendet die Gottheit ihnen Regen, so gut wie den übrigen Menschen; im Sommer aber, wenn sie Hirse und Sesam säen, haben sie Mangel an Wasser. Wenn ihnen nun gar kein Wasser zukommt, so laufen sie samt ihren Weibern nach Persien, stellen sich an die Pforte[2] des Königs und schreien und heulen. Der König aber befiehlt dann für diejenigen, welche am meisten bedürftig sind, die dahin führenden Thore zu öffnen. Wenn aber ihr Land Wasser genug bis zur Sättigung eingesogen dann werden-die Thore verschlossen und der König läßt dann andere Thüren für andere öffnen unter den übrigen, welche am meisten des Wassers bedürftig sind. Wie ich aber gehört habt, öffnet der König nur um vieles Geld, das er, außer dem Tribut[3] von ihnen einfordert. Damit verhält es sich nun also.



118.-119[1] .

Von den sieben Männern, die wider den Magier aufgestanden waren, verlor, so kam es, Intaphernes alsbald nach der Erhebung sein Leben infolge eines Frevels, den er begangen hatte. Er wollte nämlich in die königliche Burg gehen und mit dem König verhandeln: denn es galt ja das Gesetz für die, welche wider den Magier aufgestanden waren, daß jeder den Zutritt zum König haben sollte, ohne Anmeldung, ausgenommen, wenn der König gerade mit einem Weibe zusammen sei[2] . Intaphernes hielt es daher nicht für nötig, sich von jemand anmelden zu lassen, sondern wollte, da er einer von den Sieben war, eintreten. Der Thorwächter aber und der Anmelder wollten ihn nicht zulassen, indem sie behaupteten, der König schlafe bei einem Weibe. Da that Intaphernes, weil er meinte, sie lögen ihm etwas vor, folgendes: er zog sein Schwert[3] und hieb ihnen Nasen und Ohren ab[4] und hing an den Zügel seines Pferdes, dann band er dieselben an ihren Hals und ließ sie laufen.


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119.

Diese zeigten sich dem König und gaben die Ursache an, warum sie dies erlitten hätten. Darius, aus Furcht, es möchten die Sechs nach gemeinsamer Verabredung dies gethan haben, ließ einen jeden von ihnen zu sich rufen und suchte ihn auszuforschen, ob erinit dem, was geschehen, einverstanden gewesen, Und als er auf diese Weise erfahren, daß Intaphernes keineswegs in Verbindung mit den andern dies gethan habe, ließ er den Intaphernes mit samt seinen Söhnen und Angehörigen ergreifen, weil er starken Verdacht hegte, derselbe beabsichtigte, mit Hilfe seiner Anverwandten einen Aufstand wider ihn zu erregen. Nachdem er dieselben ergriffen, legte er in Bande, um sie sofort hinrichten zu lassen. Aber das Weib des Intaphernes trat zu der Pforte[1] des Königs und weinte und jammerte in einem fort; und als sie so fortmachte, erregte sie das Mitleiden des Darius, welcher zu ihr einen Boten schickte und ihr folgendes sagen ließ: "O Weib, der König Darius überläßt dir einen von deinen im Gefängnis befindlichen Anverwandten, welchen du unter allen erretten willst vom Tode." Sie aber überlegte sich die Sache und gab ihm darauf folgende Antwort: "Wenn mir also der König das Leben eines einzigen schenkt, so wähle ich vor allen meinen Bruder." Als Darius dies vernahm, geriet er in Verwunderung über diese Rede und schickte wiederum zu ihr und ließ ihr sagen: "O Weib, der König läßt dich fragen, welchen Grund du hast, deinen Mann und deine Kinder fahren zu lassen und die Erhaltung deines Bruders vorzuziehen, der dir doch ferner steht, als die Kinder, und nicht so lieb ist, wie dein Mann." Sie aber antwortete folgendes: "O König, ein anderer Mann kann mir noch, wenn Gott es will, zu teil werden, und ebenso kann ich auch andere Kinder noch bekommen, wenn ich diese verliere; da aber mein Vater und meine Mutter nicht mehr am Leben sind, so kann mir in keiner Weise ein anderer Bruder zu teil werden[2] . Diesen Grund hatte ich, als ich dies sprach." Dem Darius gefiel die Antwort der Frau, und aus Freude darüber gab er ihr nicht bloß denjenigen frei, welchen sie sich erbeten, sondern auch den ältesten ihrer Söhne; die andern aber ließ er alle hinrichten. So kam alsbald einer von den Sieben auf die angegebene Weise ums Leben.




120.-125

Es war aber ungefähr zu der Zeit, als Kambyses krank war, wo folgendes zutrug[1] . Orötas, ein Perser, welcher von Cyrus als Satrap von Sardes eingesetzt war, hatte Gelüste nach einer frevelhaften That; denn obwohl ihm Polykrates von Samos nie etwas zu Leide gethan und er nie ein schlimmes Wort von demselben gehört, auch ihn nie früher gesehen hatte, so gelüstete es ihn dennoch, denselben zu ergreifen und ums Leben zu bringen, aus folgender Ursache, wie die meisten angeben. Dieser Orötas und ein anderer Perser, mit Namen Mitrobates, welcher über den Distrikt von Daskylium[1] gesetzt war, sollen an der Pforte des Königs gesessen und infolge eines Gespräches miteinander in einen Zwist geraten sein: sie stritten nämlich um den Preis der Tapferkeit miteinander, und hier soll Mitrobates unter anderen Reden dem Orötas vorgeworfen haben: Kannst du dich denn unter die Männer rechnen, da du die Insel Samos, die nahe bei deiner Provinz liegt, dem Könige nicht gewonnen hast, während sie doch so leicht in die Hände zu bekommen ist, da einer von den Einheimischen mit fünfzehn Schwerbewaffneten durch einen Aufstand sie gewonnen hat[2] und jetzt dieselbe beherrscht?" Einige sagen nun, er habe, als er diese Worte vernommen und über den Schimpf sich geärgert, nicht sowohl an dem, der dieselben gesprochen, Rache nehmen wollen, sondern vielmehr darnach getrachtet, den Polykrates, um dessentwillen er in einen so schlimmen Ruf gekommen, auf jede Weise zu Grunde zu richten.


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121.

Einige wenige erzählen dagegen, Orötas habe nach Samos einen Herold geschickt, um etwas zu verlangen — worin dies bestand, wird nicht angegeben —; Polykrates hätte damals gerade in dem Männersaale gelegen, wo Anakreon aus Teos[3][3] bei ihm gewesen, und hier nun hätte Polykrates, sei es aus Vorsatz, indem er nichts mit den Angelegenheiten des Orötas zu thun haben wollte, oder auch, daß der Zufall es so gefügt, als des Orötas Herold gekommen sei und zu ihm gesprochen habe, sich weder nach ihm umgesehen, denn er lag gerade mit dem Gesicht der Wand zugekehrt, noch ihm eine Antwort gegeben.



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122.

Diese zwiefache Ursache nun wird über den Tod des Polykrates angeführt, und mag ein jeder an diejenige glauben, an die er will. Orötas, welcher zu Magnesia, das über dem Fluß Mäander liegt[1] , seinen Sitz hatte, schickte den Myrsus, des Gyges Sohn, einen Lydier, mit einer Botschaft nach Samos, nachdem er in Erfahrung gebracht, was Polykrates im Sinne habe. Polykrates nämlich ist der erste unter allen Hellenen[2] , die wir kennen, welcher nach einer Seeherrschaft trachtete, mit Ausnahme des Minos aus Knossus[3] , und wenn noch sonst ein anderer vor ihm die See beherrschte; seit der sogenannten historischen Zeit[4] ist aber Polykrates der erste, welcher sich große Hoffnungen machte, die Seeherrschaft über Jonien und die Inseln zu gewinnen. Orötas nun, wie er erfahren, daß Polykrates mit solchen Gedanken umgehe, schickte zu ihm einen Herold und ließ ihm sagen: "Also spricht Orötas zu Polykrates; ,Ich erfahre, daß du große Unternehmungen im Sinne hast, aber deine Mittel nicht gleich sind deinen Gedanken. Darum thue jetzt folgendes, du wirst damit dich selbst erhöhen und auch mich retten. Denn der König Kambyses trachtet mir nach dem Leben; ich habe davon sichere Kunde. So hole du nun mich selbst wie meine Schätze ab; einen Teil davon sollst du selbst haben, den anderen mir lassen; und soweit es auf Geld ankommt, wirst du damit Herr von ganz Griechenland werden. Glaubst du mir aber nicht hinsichtlich der Schätze, so sende denjenigen, der dein Vertrautester ist, ich will ihm dieselben zeigen. "'"



***
123.

Polykrates vernahm diese Worte mit Freuden und mit Geneigtheit, und da ihn wohl nach den Schätzen sehr gelüstete, so entsendete er zuerst auf Kundschaft den Maandrius, den Sohn des Mäandrius, einen seiner Mitbürger, welcher sein Schreiber war und nicht lange Zeit hernach den ganzen Schmuck aus dem Männer- saale des Polykrates, welcher sehenswert ist, in den Tempel der Here[1] weihete. Als aber Orötas vernahm, daß der Kundschafter erwartet werde, so veranstaltete er folgendes. Acht Kisten füllte er mit Steinen bis auf einen ganz kleinen Raum hart am Rande, und über die Steine legte er Gold, dann band er die Kisten zu und hielt in Bereitschaft. Als nun Mäandrius angekommen war und alles besichtigt hatte, erstattete er dem Polykrates Bericht darüber.



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124.

Dieser machte so sehr ihm auch die Weissager wie seine Freunde abrieten, auf den Weg dahin, wiewohl außerdem auch seine Tochter folgendes Traumgesicht gesehen hatte: es kam ihr vor, als erblickte sie ihren Vater in der Luft schwebend, wie er von Zeus gewaschen und von der Sonne gesalbt werde. Infolge dieses Traumgesichtes wendete sie alles an, um den Polykrates von der Reise zu Orötas abzubringen; ja auch dann noch, als er auf einem Fünfzigruderer sich einschiffen wollte, rief sie ihm Worte schlimmer Ahnung nach. Er aber drohte ihr, wenn er wohlbehalten zurückkomme, so solle sie noch lange Zeit Jungfrau bleiben; worauf sie zu den Göttern flehte, es möchte dies in Erfüllung gehen: denn wolle lieber noch so lange Jungfrau bleiben, als ihren Vater verlieren.



***
125.

Polykrates aber verschmähte jeden Rat und fuhr zu Orötas; er nahm auch viele andere von seinen Freunden mit, darunter sogar den Demoke des aus Kroton[2] , des Kalliphon Sohn, welcher ein Arzt war und in der Pflege seiner Kunst einer der ausgezeichnetsten seiner Zeit. Wie nun Polykrates zu Magnesia angekommen war, nahm er ein schmähliches Ende, wie es weder seiner, noch seines Geistes würdig war: denn mit Ausnahme der Syrakusanischen Tyrannen[1] ist auch nicht ein einziger unter den übrigen hellenischen Tyrannen wert, an großartiger Gesinnung mit dem Polykrates verglichen zu werden. Orötas nämlich ließ ihn auf eine der Erzählung nicht würdige Weise[2] umbringen und dann an's Kreuz schlagen[3] ; von seinem Gefolge aber entließ er alle, welche Samier waren, mit der Versicherung, sie hätten ihm Dank zu wissen für ihre Freiheit; hingegen alle, welche Fremde waren und Diener seines Gefolges, machte er zu Sklaven und behielt sie zurück. So erfüllte Polykrates, als er am Kreuz hing, den ganzen Traum seiner Tochter: denn er wurde von Zeus gewaschen, so oft es regnete, und von der Sonne gesalbt, wenn aus seinem Leibe eine Feuchtigkeit drang.




126.-128

Dieses Ende also nahm des Polykrates gewaltiges Glück, wie es Amasis, der König von Ägypten, ihm vorhergesagt hatte[4] . Nicht lange Zeit hernach ereilte aber auch den Orötas die Rache für Polykrates. Denn nach dem Tode des Kambyses und der Herrschaft der Magier blieb er in Sardes, ohne irgendwie den der Herrschaft durch die Meder beraubten Personen beizustehen. ja, er ließ sogar in dieser Verwirrung den Mitrobates, den Statthalter zu Daskylium, der ihn in Bezug auf Polykrates geschmäht hatte, umbringen, sowie den Sohn des Mitrobates, den Kranaspes, beide angesehene Männer unter den Persern; auch verübte er noch mehrere andere Frevel und ließ sogar einen von Darius an ihn gesendeten Boten, weil ihm dessen Meldung unangenehm war, auf dem Rückwege umbringen durch Männer, die er in den Hinterhalt gelegt hatte, und nachdem er ihn hatte umbringen lassen, schaffte er ihn samt dem Roß spurlos bei Seite.


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127.

Als aber Darius die Herrschaft erlangt hatte, trachtete er darnach, au dem Orötas Nache zu nehmen, sowohl wegen aller anderen Frevelthaten, als insbesondere wegen Mitrobates und dessen Sohn. Indessen hielt er es nicht für rätlich, sogleich ein Heer wider ihn zu senden, weil es in seinem eigenen Reiche noch gährte und er erst vor kurzem in den Besitz der Herrschaft gelangt war; auch vernahm er, daß Orötas im Besitz einer bedeutenden Macht sei, indem er eine Leibwache von tausend persischen Lanzenträgern hatte und über den phrygischen, lydischen und ionischen Distrikt gebot. Deswegen verfiel nun Darius auf folgenden Anschlag. Er berief die angesehensten Perser zu sich und sprach zu ihnen folgendes: "O Perser, wer von euch will es auf nehmen und die Sache ausführen, mit Klugheit, ohne Gewalt und ohne Heeresmacht? Denn wo Klugheit nötig ist, vermag Gewalt nichts auszurichten. Wer von euch nun könnte mir den Orötas entweder lebendig bringen oder ihn aus der Welt schaffen? Derselbe hat den Berseru in nichts beigestanden, sondern großes Übel ihnen zugefügt; einmal hat er zwei von uns aus dem Wege geräumt, den Mitrobates und seinen Sohn; dann läßt er auch die, welche ihn zu mir beriefen und von mir zu ihm geschickt wurden, umbringen und zeigt einen unerträglichen Übermut. Ehe er nun den Persern noch ein größeres Übel zufügt, müssen wir ihn durch den Tod davon abhalten."



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128.

Diese Frage richtete Darius an sie: da erboten ihm dreißig Männer, von welchen jeder bereit war, dies zu thun. Als sie so darüber stritten, machte Darius dem Streit dadurch ein Ende, daß er sie untereinander losen ließ. Und das Los traf unter allen den Bagäus, den Sohn des Artontes. Dieser that, als ihn das Los getroffen, darauf folgendes: er ließ viele Briefe schreiben über vielerlei Gegenstände und drückte auf dieselben das Siegel des Darius, hernach aber eilte er mit diesen Briefen nach Sardes. Wie er dort eingetroffen und dem Orötas zu Gesicht gekommen war, öffnete er jeden einzelnen Brief und gab ihn dem königlichen Schreiber zum Lesen; alle Statthalter nämlich haben königliche Schreiber bei sich. Bagäus aber übergab ihm die Briefe, um die Lanzenträger auf die Probe zu stellen, ob sie wohl geneigt wären, von Orötas abzufallen. Wie er nun sah, daß sie vor den Briefen eine große Achtung hatten, und eine noch größere vor dem, was aus den Briefen hervorging, so übergibt er einen anderen, worin folgende Worte standen: "O Perser, der König Darius verbietet euch, des Orötas Lanzenträger zu sein. Sowie sie dies gehört hatten, senkten ihre Lanzen[1] ; Bagäus aber, als er gesehen, daß sie dem Briefe folgsam waren, faßte nun Mut und übergab den letzten Brief dem Schreiber, in welchem geschrieben war: der König Darius trägt den Persern zu Sardes auf, den Orötas zu töten. Als die Lanzenträger dies gehört hatten, zogen sie ihre Schwerter[2] und töteten ihn sogleich. Auf diese Weise also erreichte den Perser Orötas die Rache für Polykrates von Samos.




129.-130

Als die Schätze des Orötas nach Susa gekommen und in die Burg gebracht worden waren, ereignete es sich nicht lange Zeit nachher, daß der König Darius, als er bei einer Wildjagd[3] vom Pferde sprang, sich den Fuß verrenkte. Und die Verrenkung mochte wohl etwas stark sein; denn der Knöchel war ihm aus den Gelenken getreten. Da er nun schon früher gewöhnlich ägyptische Arzte um sich hatte[4] , welche für die ersten in der Heilkunde galten, so gebrauchte er dieselben: allein indem diese mit aller Gewalt den Fuß wieder in das Gelenk zu bringen suchten, machten das Übel nur noch ärger, und so lag Darius infolge dieses Leidens sieben Tage und sieben Nächte lang schlaflos da; am achten Tage aber, als er sich ganz schlecht befand, kam einer, der zufällig früher noch zu Sardes von der Kunst des Demokedes aus Kroton[5] gehört hatte und sprach dem Darius davon, worauf er befahl, diesen aufs schleunigste zu ihm zu bringen. Man fand ihn auch unter den Sklaven des Orötas an irgend einem Orte, wo er unbeachtet lag, und führte ihn dann vor, seine Bande nachschleppend und in Lumpen gehüllt.


***
130.

Und als er vor den Darius kam, frug ihn dieser, ober sich auf die Heilkunst verstehen Er aber lehnte es ab, weil er befürchtete, es würde, wenn er zu erkennen gäbe, ihm die Rückkehr nach Hellas gänzlich abgeschnitten sein; als jedoch Darius merkte, daß er nur verstellte und seine Kunst verstehe, und darauf denen, welche den Demokedes vorgeführt hatten, Geißeln und Stacheln herbeizuschaffen befahl, da gab er sich zu erkennen und erklärte, er verstehe zwar nicht genau die Kunst, aber er sei mit einem Arzte umgegangen und habe so einige Kenntnis der Kunst. Als darauf Darius sich ihm anvertraute, wendete er hellenische Mittel an und brachte es durch gelinde Mittel nach den starken (der ägyptischen Arzte) dahin, daß Darius wieder Schlaf bekam; ja, in kurzer Zeit machte er ihn wieder völlig gesund, obwohl Darius alle Hoffnung aufgegeben, wieder einen geraden Fuß zu bekommen. Darius beschenkte ihn hernach mit zwei Paar goldenen Fesseln: er aber frug denselben, ob er denn absichtlich ihm dafür, daß er ihn gesund gemacht, ein doppeltes Übel zuwenden wollen Darius, dem diese Rede gefiel, schickte ihn dann zu seinen Weibern; die Verschnittenen aber, die ihn zu den Weibern führten, sagten zu diesen: dies sei der Mann, welcher dem Könige das Leben erhalten habe. Da schöpfte eine jede derselben mit einer Schale in die Goldkiste und beschenkte den Demokedes mit einer so reichlichen Gabe, daß der Diener, welcher ihm folgte (er hieß Skiton), die von den Schalen herabfallenden Stateren[1] auflas und eine bedeutende Summe Gold zusammenbrachte.




131.

Dieser Demokedes war auf folgende Weise von Kroton weg in die Umgebung des Polykrates gekommen. Er lebte zusammen mit seinem Vater, der ein jähzorniger Mann war, in Kroton, und als er es bei diesem nicht aushalten konnte, machte er sich auf und ging nach Ägina. Nachdem er hier niedergelassen, übertraf er schon im ersten Jahre die andern Arzte, wiewohl er gar keine Einrichtung hatte, und keines von all den Werkzeugen, welche zu der Kunst gehören[1] ; im zweiten Jahre dingen ihn dann die Agineten von Staatswegen um ein Talent, im dritten die Athener um hundert Minen, im vierten Polykrates um zwei Talente[2] . So kam er nach Samos. Durch diesen Mann hauptsächlich sind die Krotoniatischen Arzte zu Ruhm gekommen: denn das fällt in eine Zeit, wo die Krotoniatischen Arte für die ersten in Griechenland galten, nach ihnen die Kyrenäischen. Zu ebenderselben Zeit galten auch die Argiver für die ersten unter den Hellenen in der Tonkunst[3] .



132.

Damals nun hatte Demokedes zu Susa, als er den Darius geheilt hatte, ein sehr großes Haus und war der Tischgenosse des Königs geworden[4] ; es fehlte ihm nichts, ausgenommen das eine, die Rückkehr nach Hellas. Auch errettete er durch seine Fürbitte beim König die ägyptischen Ärzte[1] , welche vorher den König zu heilen gesucht hatten und nun aufgespießt werden sollten[2] , weil sie von einem hellenischen Arzte übertroffen worden waren; sodann errettete er noch einen Seher aus Elis, welcher dein Polykrates gefolgt war und unbeachtet sich unter den Sklaven befand; überhaupt war Demokedes ein Mann von großem Ansehen bei dem König.



133.-137

Kurze Zeit nachher aber trug sich folgendes weiter zu. Atossa[3] , die Tochter des Cyrus und Frau des Darius, bekam ein Geschwür auf der Brust, welches nach einiger Zeit aufbrach und weiter um sich fraß. Solange nun das Geschwür klein war, verbarg sie es und sprach aus einer gewissen Scham mit niemand davon; als es aber schlimmer wurde, ließ sie den Demokedes rufen und zeigte es ihm. Dieser versprach ihr, sie wieder gesund zu machen, ließ sich aber von ihr eidlich die Versicherung geben, daß sie ihm den Gegendienst erweise, um den er sie bitten werde; er werde aber nichts derartiges sich ausbitten, was ihr Schande bringen könnte.


***
134.

Als dann Atossa durch die Behandlung des Demokedes wieder genesen war, wendete sie sich, sowie es dieser ihr angegeben, im Bette an Darius mit folgender Rede: O König! Du hast eine solche Macht und sitzest ruhig da, ohne irgend ein Volk oder eine Macht zu gewinnen für die Perser. Es ziemt aber, daß ein Mann, der jung ist[4] und über große Schätze gebietet, irgend eine glänzende That vollbringe, damit auch die Perser erkennen, daß von einem Manne beherrscht werden. Aus einer doppelten Rücksicht aber mußt du darauf denken, so etwas zu thun, einerseits damit die Perser einsehen, daß ein Mann es ist, der au ihrer Spitze steht, anderseits damit sie durch den Krieg beschäftigt werden und nicht aus Müssiggang sich wider dich erheben. Denn jetzt könntest du noch irgend eine That ausführen, solange du an Jahren jung bist: denn wenn der Körper zunimmt, nimmt auch die Seele zu; altert derselbe, so altert mit ihm auch die Seele und wird abgestumpft zu allen Unternehmungen. Also sprach sie, ganz wie es ihr eingegeben war. Darius aber erwiderte folgendes: "O Weib, du hast alles ausgesprochen wie ich selbst gedachte zu thun. Ich habe nämlich beschlossen, eine Brücke von diesem Festland aus auf das andere zu bauen und wider die Skythen zu Felde zu ziehen; und dies wird binnen kurzer Zeit zur Ausführung kommen." Da spricht Atossa zu ihm folgendes: "Siehe zu und laß lieber davon ab, zuerst wider die Skythen zu ziehen; denn diese werden dein sein, sobald du es willst; ziehe vielmehr mir zu Gefallen wider die Hellenen; denn ich möchte gern, nachdem, was ich darüber vernommen habe, lakonische, argivische, attische und korinthische Dienerinnen[1] bekommen; du hast aber den Mann, der unter allen am geschicktesten ist, dir alles in Hellas zu zeigen und dich zu führen, ich meine den, der deinen Fuß geheilt hat." Darauf erwidert Darius: "O Weib, weil du meinst, wir sollen uns zuerst an Hellas versuchen, so halte ich es für gut, zuerst persische Kundschafter zugleich mit dem Manne, den du bezeichnest, dorthin zu schicken, welche, wenn sie alles wahrgenommen und angesehen, uns darüber Nachricht bringen; dann, wenn ich alles genau weiß, will ich mich gegen sie[2] wenden."



***
135.

Dieses sprach er, und so wie er gesprochen, that er auch sogleich. Denn sowie der Tag graute, berief er fünfzehn der angesehensten Perser und gab ihnen den Auftrag, sie sollten dem Demokedes folgen und die Küstenstriche von Hellas bereisen, aber achtgeben, daß Demokedes ihnen nicht durchginge, sondern sie sollten ihn durchaus wieder zurückbringen. Nachdem er denselben diesen Auftrag erteilt hatte, so ließ er zum andern den Demokedes selbst rufen und bat ihn, die Perser zu führen und ihnen ganz Hellas zu zeigen, dann aber wieder zurückzukommen; auch ließ er ihn all sein Geräte[1] mit sich nehmen, als Geschenk für seinen Vater und seine Brüder, mit der Versicherung, er werde es ihm vielfach ersetzen. Außerdem erklärte er in bezug auf diese Geschenke, er wolle ihm ein mit allen möglichen Gütern angefülltes Lastschiff mitgeben, welches zugleich mit ihm abfahren solle. Darius machte ihm also diese Anerbietungen, wie ich glaube, ohne irgend etwas Arges dabei zu denken. Demokedes aber, welcher besorgte, Darius wolle ihn auf die Probe stellen, nahm keineswegs hastig alles das an, was ihm angeboten ward, sondern erklärte, er wolle das, was ihm gehöre, lieber im Lande zurücklassen, damit er nach der Rückkehr es noch hätte; das Lastschiff indessen, welches Darius ihm zum Geschenk für seine Brüder angeboten, nahm er an. Nachdem also Darius auch dem Demokedes diesen Auftrag gegeben hatte, schickte er sie[2] ab nach dem Meere.



***
136.

Diese reisten nun (von Susa) hinunter nach Phönicien und nach der phönicischen Stadt Sidon, wo sie sofort zwei Triremen bemannten und zugleich mit denselben auch ein großes Lastschiff, das mit Gütern aller Art angefüllt war. Und nachdem sie alles hergerichtet hatten, fuhren sie fort nach Hellas; sie hielten sich an der Küste desselben, besahen dieselbe und zeichneten sich alles auf, bis sie, nachdem sie den größten und nennenswertesten Teil besichtigt hatten, nach Tarent in Italien[3] kamen. Hier nun ließ Aristophilideg, der König[4] der Tarentiner, aus Gefälligkeit für Demokedes, die Steuerruder der medischen Schiffe wegnehmen und dann die Perser selbst festhalten, unter dem Vorwande, sie wären Spione. Währenddem ihnen dies geschah, gelangte Demokedes nach Kroton, und sowie er in seine Heimat gekommen war, ließ Aristophilides die Perser frei und gab ihnen das zurük was er von ihren Schiffen genommen hatte.



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137.

Von hier nun segelten die Perser fort und kamen auf der Verfolgung des Demokedes noch Kroton, wo ihn auf dem Marktplatz fanden und ihn anpackten. Ein Teil der Krotoniaten nun war aus Furcht vor der Macht der Perser bereit, ihn gehen zu lassen; andere aber packten ihn auch an und schlugen mit Stöcken auf die Perser, welche mit folgenden Worten ihnen entgegneten: "Ihr Krotoniaten, bedenkt, was ihr thut; ihr entreißt uns einen Flüchtling des Königs; wie wird der König Darius eine solche Mißhandlung von euch sich gefallen lassen? Wie wird euch diese That bekommen, wenn ihr uns den Demokedes entreißt? Gegen welche Stadt werden wir eher zu Felde ziehen und welche werden wir eher in Sklaverei zu bringen versuchende" Jedoch gelang es ihnen nicht, durch diese Worte die Krotoniaten zubewegen, sondern nachdem sie den Demokedes ihnen überlassen, sowie das Lastschiff, das sie mit führten, hatten aufgeben müssen, fuhren sie nach Asien und suchten nicht mehr nach Hellas zu kommen und dasselbe weiter zu erforschen, da sie ihren Führer verloren hatten. So viel jedoch hatte ihnen Demokedes bei der Abfahrt aufgetragen, dem Darius zu sagen, daß er mit der Tochter des Milo verlobt habe; von dem Ringer Milo[1] nämlich war bei dem Könige viel gesprochen worden. Eben darum scheint mir auch Demokedes diese Heirat beschleunigt und viel Geld dafür aufgewendet zu haben, damit Darius sähe, daß er auch in seiner Heimat ein angesehener Mann sei[2] .




138.

Als die Perser von Kroton abgefahren waren, wurden sie mit ihren Schiffen nach Japygien[1] verschlagen, wo sie in Sklaverei gerieten, aus welcher Gi'llus, ein Flüchtling aus Tarent, sie befreite und zu dem König Darius zurückbrachte, welcher bereit war, ihm dafür zu geben, was er wolle. Gillus erbat sich die Erwirkung der Rückkehr nach Tarent, nachdem er vorher dem König sein Unglück erzählt hatte; um aber nicht Hellas mit zu beunruhigen, wenn um seinetwillen eine große Flotte gen Italien segele, so versicherte er den König, die Knidier allein genügten schon, um ihn in seine Heimat zurückzuführen, weil er glaubte, durch diese, welche mit den Tarentinern befreundet waren, würde am ersten die Rückkehr ihm ermöglicht werden. Darius versprach es und vollzog es auch; er schickte nämlich einen Boten nach Knidus[2] und befahl den Knidiern, den Gillus nach Tarent zurückzubringen. Diese gehorchten auch dem Darius, vermochten aber nicht die Tarentiner zu bewegen, während sie außer stande waren, Gewalt anzuwenden. Dies geschah nun also, und waren dies die ersten Perser, welche aus Asien nach Hellas kamen, und waren sie um einer solchen Sache willen als Kundschafter erschienen.



139.-149

Nach diesem eroberte der König Darius Samos, die erste unter allen hellenischen und barbarischen Städten[3] , aus folgender Veranlassung. Als Kambyses wider Ägypten mit seinem Heere zog, kamen nach Ägypten viele Hellenen[4] , die einen, wie man sich denken kann, des Handels wegen, die anderen, um Kriegsdienste zu nehmen[1] , manche andere auch, um das Land selbst zu besehen, unter welchen auch Syloson, des Äakos Sohn[2] , ein Bruder des Polykrates, sich befand, der ein Flüchtling aus Samos war. Diesem Syloson begegnete folgender glückliche Zufall. Er hatte einen roten Mantel genommen und denselben umgeworfen und verweilte so auf dem Markte von Memphis; hier sah ihn Darius, welcher einer der Lanzenträger des Kambyses war und noch kein besonderes Ansehen hatte; es verlangte ihn nach dem Mantel, er trat herzu und wollte ihn kaufen. Syloson aber bemerkte das große Verlangen, welches Darius nach dem Mantel hatte, und wie wenn es ein Gott ihm eingegeben, sprach er zu ihm: "Ich verkaufe den Mantel um keinen Preis; aber ich will ihn dir umsonst geben, wenn es durchaus so sein soll." Das war dem Darius ganz recht und er nahm den Mantel.


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140.

Syloson meinte nun doch, es sei eine Thorheit, wie er um seinen Mantel gekommen. Als aber im Verlaufe der Zeit Kambyses gestorben war und die Sieben wider die Magier aufgestanden, von diesen Sieben aber Darius zur Herrschaft gelangt war, so erfuhr Syloson, daß das Königreich auf eben den Mann gekommen sei, dem er selbst einst in Ägypten auf dessen Bitten das Gewand gegeben. Er machte also auf nach Susa und setzte sich in den Vorhof des königlichen Palastes[3] mit der Erklärung, er sei ein Wohlthäter[4] des Darius. Der Thorwächter, der dies gehört, macht dem König davon Meldung, welcher voll Verwunderung zu ihm spricht: "Wo ist unter den Hellenen ein Wohlthäter, dem ich zu Dank verpflichtet bin, da ich doch erst seit kurzem im Besitz der Herrschaft bin? Ist doch kaum irgend einer von ihnen zu uns heraufgekommen, und ich kenne keine Schuld an irgend einen Hellenen; indes führt den Menschen doch herein, damit ich erfahre, was er mit seiner Behauptung will." Der Thürwächter führte darauf den Syloson herein, und als er vor den König getreten war, so frugen ihn die Dolmetscher , wer er sei und was er gethan, weil er behaupte, ein Wohlthäter des Königs zu sein. Da erzählte nun Syloson den ganzen Vorfall mit dem Mantel, und daß er eben der sei, der ihm denselben gegeben. Darius erwiderte darauf: "O du edelster unter allen, du bist also der, welcher mir, als ich noch gar keine Macht hatte, ein, wenn auch geringes, Geschenk gegeben? Wohlan, mein Dank soll wenigstens gleich sein, wie wenn ich jetzt irgendwoher ein großes Geschenk empfangen hätte; ich gebe dir dafür eine Menge Gold und Silber, damit du es nie zu bereuen hast, dem Darius, dem Sohn des Hystaspes, eine Wohlthat erwiesen zu haben." Worauf Syloson zu ihm spricht: "O König! Gib mir weder Gold noch Silber, sondern errette mein Vaterland Samos und gib es mir zurück, da jetzt, nachdem mein Bruder Polykrates durch Orötas getötet worden ist, ein Sklave von uns dasselbe im Besitz hat; dieses gib mir zurück, ohne Blutvergießen und Knechtschaft."



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141.

Als Darius dies vernommen, entsendete er ein Heer und als Führer desselben Otanes, der einer von den Sieben gewesen war[1] , und trug ihm auf, alles, worum Syloson gebeten, zu vollziehen. Otanes zog darauf hinab an das Meer und schiffte sein Heer sein.



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142.

Über Samos gebot damals Mäandrius, des Mäandrius Sohn[2] , welchem die Herrschaft von Polykrates[3] anvertraut worden war; er war ein Mann, welcher der gerechteste von allen sein wollte, ohne daß es ihm zu teil wurde. Als ihm nämlich des Polykrates Tod gemeldet worden, that er folgendes. Zuerst errichtete er einen Altar des Zeus, des Befreiers, und steckte um denselben ein Heiligtum ab, wie es noch jetzt in der Vorstadt sich befindet; hernach, als er dies gethan, veranstaltete er eine Versammlung aller seiner Mitbürger und sprach zu ihnen folgendes: "Es ist mir, wie ihr wißt, das Scepter und die ganze Macht des Polykrates anvertraut, und steht es jetzt bei mir, über euch zu herrschen; ich will aber das, was ich an einem andern tadele, nicht selbst thun, soweit es in meiner Macht steht. Denn mir gefiel weder Polykrates, welcher über Männer, die ihm gleich standen, den Herrn machte, noch gefällt mir irgend ein anderer, welcher dies thut. Polykrates hat nun sein Schicksal erfüllt, ich aber lege die Herrschaft in eure Hände und verkünde euch Gleichheit vor dem gesetz[1] . Jedoch halte ich es für recht, daß mir folgendes an Ehren zufalle: von den Schätzen des Polykrates sollen sechs Talente [28'290 Reichsmark] genommen werden und mir zufallen; dazu nehme ich in Anspruch für mich selbst und für alle meine Nachkommen das Priestertum des Zeus, des Befreiers, dem ich selbst ein Heiligtum errichtet, wie ich denn auch euch die Freiheit verleihe."Diese Anträge nun machte er an die Samier; aber von diesen stand einer auf und sprach:"Nun du bist ja doch gar nicht würdig, über uns zu herrschen, da du von niederer Herkunft und ein nichtsnutziger Mensch bist; du solltest vielmehr darauf denken, Rechenschaft abzulegen über die Schätze, welche du unter den Händen gehabt hast."



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143.

Also sprach derselbige, der ein angesehener Mann unter seinen Mitbürgern war, mit Namen Telesarchus. Maandrius aber, nachdem er sich überlegt hatte, daß, wenn er der Herrschaft entsage, ein anderer statt seiner zum Herrscher sich aufwerfen werde, dachte nicht mehr daran, die Herrschaft fahren zu lassen, sondern zog sich zurück auf die Burg und ließ einen jeden einzeln zu sich entbieten, angeblich um Rechenschaft über die Schätze abzulegen, dann aber ließ er ergreifen und in Bande legen. Als diese nun in Banden lagen, befiel den Mäandrius hernach eine Krankheit, und da sein Bruder, mit Namen Lykaretus, dachte, er werde sterben, so ließ er, um desto leichter die Macht in Samos zu behaupten, alle die Gefangenen umbringen. Denn es sah allerdings aus, als wollten die Samier gar nicht frei sein. 

144.

Als nun die Perser, welche den Syloson zurückführten nach Samos kamen, erhob sich niemand gegen sie, und die Anhänger des Mäandrius, wie dieser Mäandrius selbst, erklärten ihre Bereitwilligkeit, einen Vertrag abzuschließen und die Insel zu verlassen. Als Otanes darauf hin eingewilligt und den Vertrag abgeschlossen hatte, ließen die angesehensten Perser sich Stühle gegenüber der Burg bringen und nahmen darauf Platz,



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145.

Es hatte aber der Tyrann Mäandrius einen Bruder, der halb toll war, mit Namen Charilaus; dieser lag, weil er irgend etwas verbrochen hatte, in Banden in einem unterirdischen Gefängnis. Wie er nun damals hörte von dem, was vorfiel, und durch das Gefängnis herausblickte, verlangte er, als er die Perser ruhig dasitzen sah, unter Geschrei den Mäandrius zu sprechen. Als Mäandrius dies vernommen, ließ er sofort ihm die Bande abnehmen und ihn zu sich führen. Sowie er aber vorgeführt war, sing er an seinen Bruder zu schmähen und zu schelten und suchte ihn dann zu einem Angriff auf die Perser zu bereden mit folgenden Worten: "O Elendester von allen! Mich, der ich dein eigener Bruder bin und nichts verbrochen habe, was der Bande wert ist, hast du in Bande gelegt und in ein unterirdisches Loch geworfen; an den Persern aber, die, wie du siehst, dich hinauswerfen und heimatlos machen, hast du nicht den Mut dich zu rächen, während doch so liecht zu bewältigen sind. Wohlan, wenn du dich vor ihnen etwa fürchtest, so gieb mir deine Hilfsvölker, und ich will schon an den Persern mich rächen dafür, daß sie hierher gekommen sind; dir selbst aber bin ich bereit sicheres Geleit aus der Insel zu geben."



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146.

Also sprach Charilaus. Mäandrius nahm den Vorschlag an, nicht, wie ich glaube, weil er so unverständig war zu glauben, er werde mit seiner Macht die des Königs überwinden, sondern vielmehr aus Neid gegen Syloson, daß dieser ohne Mühe die Stadt unversehrt in seine Hände bekommen sollte; er wollte daher die Perser reizen, um die Macht von Samos so schwach als möglich zu machen und so dasselbe dem Syloson überliefern, weil er nur zu gut einsah, daß die Perser, wenn ihnen etwas zu Leide geschähe, desto erbitterter auf die Samier sein würden, und weil er wußte, daß er einen sichern Ausgang aus der Insel hätte, dann, wann er es wolle; er hatte nämlich einen verborgenen Gang machen lassen, welcher von der Burg zum Meer führte. So fuhr also Mäandrius selbst von Samos weg; Charilaus aber bewaffnete alle seine Hilfsvölker, öffnete die Thore und führte dieselben heraus wider die Perser, welche nichts der Art erwarteten, weil sie der Meinung waren, daß man in allem übereingekommen sei. Da fielen nun die Hilfsvölker über die Perser her und erschlugen dieselben, welche auf den Sesseln saßen und die angesehensten Männer waren. Während sie dies thaten, eilte indessen das übrige Heer der Perser zur Hilfe herbei und die Hilfsvölker wurden in die Burg zurückgedrängt und eingeschlossen.



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147.

Als nun Otanes, der persische Feldherr, den großen Verlust vernahm, welchen die Perser erlitten, gedachte er nicht mehr der Aufträge, welche Darius ihm bei der Absendung gegeben hatte, keinen Samier zu töten oder zum Sklaven zu machen, sondern die Insel ohne alle Beschädigung dem Syloson zurückzugeben; uneingedenk dieser Auftrage erließ er den Befehl an sein Heer, sie sollten einen jeden, den sie gefangen hätten, gleichviel ob alt oder jung, umbringen. Da belagerte nun der eine Teil des Heeres die Burg, der andere aber hieb einen jeden zusammen, der in den Weg kam, auf gleiche Weise in Heiligtümern wie außer denselben.



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148.

Mäandrius aber, nachdem er von Samos entronnen war, fuhr nach Lakedämon; und als er dort angekommen war und das, was er bei seinem Wegzug von Samos mitgenommen, ans Land gebracht hatte, that er folgendes: er ließ seine silbernen und goldenen Pokale öffentlich aufstellen, welche seine Diener dann abspülen mußten, er selbst aber ließ sich während dieser Zeit mit dem K leomenes, des Anaxandridas Sohn, welcher König zu Sparta war, in ein Gespräch ein und wußte denselben so bis an die Wohnung zu bringen. Wie nun Kleomenes die Pokale sah, wunderte er sich und geriet in Staunen; jener aber bat ihn, sich davon mitzunehmen, was er nur wolle. Und obwohl Mäandrius dies zwei mal und dreimal gesagt hatte, so zeigte sich doch Kleomenes als der rechtschaffenste Mann von der Welt, insofern er es für Unrecht hielt, etwas zu nehmen von dem, was ihm geboten ward; da er aber merkte, daß jener durch solche Anerbietungen an andere Bürger eine Unterstützung finden werde, so begab er sich zu den Ephoren[1] und erklärte ihnen, es sei besser, den samischen Fremden aus dem Peloponnes zu entfernen, damit er nicht ihn selbst oder irgend einen andern Spartaner verleite zu einer Schlechtigkeit. Die Ephoren gaben ihm Gehör und wiesen den Mäandrius durch einen Herold aus dem Lande.



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149.

Samos aber, welches die Perser wie mit einem Netz nach und nach umgarnt und erobert hatten[2] , übergaben sie dann, wie es war, von Menschen verlassen, dem Syloson; späterhin jedoch nahm der Feldherr Otanes selbst daran Anteil es wieder zu bevölkern, infolge eines Traumgesichts und einer Krankheit, die ihn an den Geschlechtsteilen befallen hatte.




150.

Zu der Zeit aber, als die Flotte gen Samos steuerte, waren die Babylonier, nachdem sich mit allem wohl versehen hatten, abgefallen[3] . Sie hatten nämlich schon in der ganzen Zeit, in welcher der Magier herrschte und die Sieben aufgestanden waren, während der Verwirrung sich auf eine Belagerung vorgesehen, und zwar thaten sie dies in aller Stille; wie sie dann aber öffentlich abgefallen waren, thaten sie folgendes: sie nahmen ihre Mütter heraus und noch dazu wählte jeder eine Frau, die er wollte, aus seinem Hause; alle übrigen Weiber schleppten sie dann zusammen und erstickten sie ; die eine Frau wählte sich ein Jeder aus zur Bereitung der Speise, die andern aber erstickten sie, damit sie nicht die Lebensmittel ihnen aufzehrten.



151.-152

Als Darius dies erfahren hatte, so sammelte er seine ganze Heeresmacht und zog wider zu Felde; nachdem er dann der Stadt Babylon genähert, begann er die Belagerung, ohne daß jedoch die Babylonier sich darum kümmerten. Denn sie stiegen auf die Zinnen der Mauer, tanzten zum Spott und verhöhnten den Darius und sein Heer: ja, einer von ihnen sprach folgende Worte: "Was sitzt ihr da, ihr Perser, warum geht ihr nicht fort? Denn dann erst werdet ihr uns fangen, wenn die Maulesel gebären." Dies sprach einer von den Babyloniern, weil er meinte, ein Maulesel könne nimmermehr gebären.


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152.-152

Als darüber schon ein Jahr und sieben Monate hingegangen waren, ward Darius ärgerlich und sein ganzes Heer, weil es nicht im stande war, Babylon einzunehmen. Und doch hatte Darius gegen die Stadt jedes Mittel der Klugheit wie der List angewendet; aber auch so hatte er nicht vermocht die Stadt zu erobern, ungeachtet er alle mögliche List angewendet, ja selbst diejenige versucht hatte, durch welche einst Cyrus die Stadt erobert hatte[1] . Denn die Babylonier waren gewaltig auf ihrer Hut, und er war durchaus nicht im stande die Stadt einzunehmen.




153.-158

Da im zwanzigsten Monat, begegnete dem Zopyrus, dem Sohne des Megabyzug[2] , der einer von den sieben Männern war, welche den Magier erschlagen hatten, folgendes Wunder: einer von den Mauleseln, welche seine Lebensmittel trugen, brachte ein Junges zur Welt[3] . Als dem Zopyrus dies gemeldet wurde, so wollte er es anfangs nicht glauben, wie er aber das Junge selbst sah, so verbot er seinen Knechten, bei irgend jemand von dem Vorfall zu sprechen und überlegte die Sache. Er gedachte nämlich der Worte, welche jener Babylonier zu Anfang der Belagerung gesprochen , daß Babylon dann, wenn die Maulesel gebären würden, erobert werde: nach dieser Äußerung, meinte Zopyrus, sei es jetzt möglich, Babylon zu nehmen: denn dieser habe nach göttlicher Fügung also gesprochen und ihm habe sein Maulesel geboren.


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154.

Weil er nun der Meinung war, es sei vom Schicksal[4] der Fall von Babylon bestimmt, so wendete er sich an Darius mit der Frage, ob er es denn so hoch anschlüge, Babylon einzunehmen. Als er darauf vernommen, wie hoch dies Darius anschlage, so überlegte er weiter, wie es möglich werde, daß er selbst derjenige sei, welcher Babylon erobere, und dies seine eigene That sei. Denn bei den Persern werden solche Großthaten ganz besonders geehrt und bringen in die Höhe. Er überlegte nun aber weiter, wie er nicht im stande sei, durch irgend ein anderes Mittel die Stadt in seine Gewalt zu bekommen , als wenn er sich selbst verstümmelte und so zu den Babyloniern überginge. Und da er sich daraus nicht viel machte, so verstümmelte er sich auf eine unheilbare Weise: er schnitt nämlich Nase und Ohren ab[1] , ließ sich das Haar auf schimpfliche Weise rings herum abscheeren und geißelte sich und kam so zu Darius.



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155.

Darius aber empfand großen Schmerz, als er einen der angesehensten Männer so verstümmelt erblickte, er sprang von seinem Sitze auf, schrie laut und frug ihn dann, wer der sei, der ihn so verstümmelt, und was er gethan habe? Zopyrus antwortete: "Es ist kein anderer als du selbst, der eine solche Macht hätte, mich so zuzurichten; auch hat, o König, kein Fremder dies mir angethan, sondern ich selbst habe es mir angethan, weil ich es unerträglich fand, daß Assyrer[2] der Perser spotten." Da erwiderte Jener: "O du verwegenster Mensch von der Welt, der schmählichsten That hast du den schönsten Namen gegeben, indem du vorgiebst, um der Belagerten willen dich selbst so heillos zugerichtet zu haben! Werden denn, o Thor, die Feinde, weil du dich so verstümmelt hast, sich schneller ergeben? Bist du denn nicht von Sinnen, daß du dich zu Grunde gerichtet hast ?" Er aber sprach: "Wenn ich dir vorgelegt hätte, was ich zu thun beabsichtigte, so würdest du es mir nicht gestattet haben: so habe ich aus eigenem Entschluß gehandelt; denn jetzt, wenn es von deiner Seite nicht fehlt, nehmen wir Babylon ein. Ich will nämlich, so wie ich jetzt bin, überlaufen in die Stadt und ihnen sagen, daß ich von dir dies erlitten habe; und ich denke, ich kann sie dazu bringen, dies zu glauben und mir eine Heeresabteilung anzuvertrauen; stelle du dann von dem Tage, an welchem ich in die Stadt gekommen bin, bis zum zehnten von dem Teile deines Heeres, dessen Verlust du keineswegs anzuschlagen hast, tausend Mann bei dem sogenannten Thor[3] der Semiramis auf, hernach wieder vom zehnten Tage bis zum siebenten andere zweitausend Mann bei dem sogenannten Thor des Ninus; vom siebenten Tag an nach einer Zwischenzeit von zwanzig Tagen nimm andere viertausend Mann und stelle sie auf bei dem sogenannten Chaldäischen Thor. Es sollen aber sowohl diese, wie die vorher genannten, nichts von Waffen zur Wehr tragen als Dolche, diese kannst du ihnen lassen. Nach dem zwanzigsten Tag laß sogleich dein übriges Heer rings herum an die Mauer rücken, die Perser aber stelle mir an das sogenannte Belische oder Kissische Thor. Denn, wie ich glaube, so werden die Babylonier mir, wenn ich große Thaten verrichtet habe, nicht nur das übrige überlassen, sondern auch die Schlüssel der Thore. Von da an aber laß mich und die Perser sorgen für das, was zu thun ist."



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156.

Nachdem er dem Darius dies aufgetragen, eilte er nach den Thoren, sich umsehend zuweilen, wie wenn er ein wirklicher Überläufer wäre. Da erblickten ihn von den Türmen die, welche dazu bestellt waren, und liefen herunter, öffneten auch ein wenig den einen Thorflügel und frugen ihn, wer er denn sei und was er wolle, indem er hierher gekommen. Da erwiderte er ihnen, er sei Zopyrus und komme zu ihnen als Überläufer. Als die Thorwächter dies hörten, führten sie ihn vor den Rat der Babylonier. Und als er vor diesem stand, jammerte er und gab vor, von Darius das erlitten zu haben, was er selbst angethan hatte; er habe dies aber erlitten, weil er ihm den Rat gegeben, sein Heer zurückzuziehen, da keine Möglichkeit der Eroberung sich zeigte. "Jetzt nun", fuhr er fort, "ihr Babylonier, bin ich gekommen, euch zum größten Nutzen, dem Darius aber sowie seinem Heere und den Persern zum größten Nachteil. Denn es wird ihm fürwahr nicht so hingehen, daß er mich auf solche Weise verstümmelt hat; ich kenne ja alle seine Pläne und Anschläge".



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157.

Also sprach er. Wie aber die Babylonier den Mann sahen, der einer der angesehensten Männer in Persien war, beraubt der Nase und der Ohren, triefend von Blut und Geißelhieben, so glaubten sie sicher, er rede die Wahrheit und sei gekommen ihnen beizustehen; sie waren daher bereit, ihm anzuvertrauen, warum er sie bat; er bat aber um ein Heer. Wie er nun dieses von ihnen erhalten hatte, so that er, was er mit Darius verabredet hatte. Er führte nämlich am zehnten Tage das Heer der Babylonier heraus und umzingelte die ersten Tausend, die er dem Darius angegeben hatte dort aufzustellen, und hieb dieselben zusammen. Als aber die Babylonier wahrnahmen, daß seine Thaten den Worten entsprachen, so waren sie voller Freude und bereit, in allem ihm zu willfahren. Er ließ aber die verabredeten Tage verstreichen und wählte dann wieder eine Anzahl Babylonier aus, welche er herausführte und die zweitausend Mann von dem Heer des Darius niederhieb. Wie die Babylonier auch diese That sahen, priesen sie den Zopyrus, und war sein Lob in aller Mund. Dann ließ er wieder die bestimmten Tage verstreichen und führte darauf die Babylonier heraus an den vorher bezeichneten Platz, wo er die viertausend umzingelte und ebenfalls zusammenhieb. Als er aber auch dies vollbracht hatte, war er alles bei den Babyloniern und wurde zu ihrem Feldherrn und Wächter der Stadt ernannt.



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158.

Als nun Darius nach der Verabredung den Angriff machte rings um die Mauer, da ward die ganze List des Zopyrus offenbar. Die Babylonier nämlich stiegen auf die Mauer und suchten das heranstürmende Heer des Darius abzuwehren, Zopyrus aber öffnete das Kissische und Belische Thor und ließ die Perser in die Stadt. Die Babylonier, welche sahen, was geschehen war, flohen zum Teil in den Tempel des Zeus Belus[1] ; diejenigen aber, welche es nicht gesehen hatten, blieben ein jeder in seiner Stellung, bis auch sie merkten, daß sie verraten waren.




159.

So nun wurde Babylon zum zweiten Male erobert. Darius aber, nachdem er Herr über die Babylonier geworden war, ließ zuerst die Mauer wegnehmen und alle Thore abbrechen; denn bei der früheren Eroberung von Babylon hatte Cyrus keines von beiden gethan; alsdann ließ Darius die angesehensten Männer, etwa dreitausend, an Pfählen aufspießen[1] und gab den übrigen Babyloniern die Stadt wieder zum Wohnen zurück. Damit aber die Babylonier Weiber hätten, um eine Nachkommenschaft zu erhalten, veranstaltete Darius fürsorglich folgendes; denn es hatten ja, wie ich am Anfang bemerkt habe[2] , die Babylonier ihre Weiber, aus Sorge um ihre Lebensmittel, erstickt. Er legte den umwohnenden Völkern auf, Weiber nach Babylon zu stellen, und zwar legte er jedem eine bestimmte Zahl auf, so daß in allem fünfzigtausend Weiber zusammenkamen; von diesen Weibern aber stammen die jetzigen Babylonier ab.



160.

Diesen Zopyrus hat nach dem Urteil des Darius an Großthat kein Perser übertroffen, weder von den späteren noch von den früheren, als Cyrus allein: denn mit diesem glaubt kein Perser sich vergleichen zu dürfen. Darius aber soll oftmals die Ansicht geäußert haben, er wollte lieber, Zopyrus haue diese schmähliche Verstümmelung nicht erlitten, als Babylon und noch zwanzig Babylon weiter besitzen; auch ehrte er ihn sehr, indem er ihm jedes Jahr diejenigen Geschenke gab, welche die am meisten geehrten bei den Persern sind[3] , auch ihm auf Lebenszeit die Verwaltung von Babylon[4] ohne alle Abgabe überliess und noch manches andere dazu gab. Von diesem Zopyrus stammt Megabyzug, welcher in Ägypten wider die Athener und deren Verbündete das Heer befehligte[1] , und dieses Megabyzus Sohn ist Zopyrus, welcher als Überläufer aus Persien nach Athen kam[2] .